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Wir berechnen jetzt mal den Strukturfaktor des kubisch raumzentrierten Eisens. |
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Die notwendigen Basisdaten hatten wir schon notiert; wir können die alte Tabelle jetzt noch um den Atomformfaktor
fFe erweitern und bekommen |
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Kristall |
Gittertyp | rj |
Atom | fj | Fe |
bcc | r1 = (0 0 0) r2 = (½ ½ ½) |
Fe Fe | fFe fFe |
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Wie groß auch immer der Atomformfaktor für ein Eisenatom bezüglich eines bestimmten
Reflexes G
auch sein mag, beide Eisenatome haben denselben Atomformfaktor – in jeder Näherung – da vollständige
Symmetrie vorliegt; sie unterscheiden sich in nichts. |
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Wir können gleich noch eine weitergehende Aussage machen. Da der Atomformfaktor im wesentlichen
von der Elektronendichte bestimmt wird, werden sich die Atomformfaktoren ähnlicher Elemente – z. B. Fe, Mn,
Co – allenfalls ein bißchen unterscheiden können. |
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Einsetzen in die Formel für die Strukturamplitude liefert |
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Fs (Fe) |
= | 2
S j = 1 |
fj · exp[i · ri · G] |
= | fFe · { |
exp[i · (0 0 0) · G] + exp[i · (½ ½ ½) ·
G] } |
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Jeder reziproke Gittervektor kann in Komponenten als G = 2p · (h · g1 + k · g2 + l · g3)
geschrieben werden. |
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Setzen wir diese Form für G ein, ergibt sich |
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Fs(Fe) | = |
fFe · |
æ è |
1 + exp[2ip · (h k l) · (½ ½ ½)]
| ö ø |
= fFe · |
æ è |
1 + exp[ip · (h + k + l)] |
ö ø |
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Daraus ergibt sich eine interessante allgemeine Auslöschungsregel
die nicht nur für Fe, sondern offensichtlich für alle einatomige bcc-Kristalle gilt
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Die Strukturamplitude Fs(bcc) ist = 0 falls |
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h + k + l | = | nung (ungerade Zahl) |
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Warum? Weil immer gilt |
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Wer das nicht kennt, braucht sich nur die Eulersche Formel hinschreiben: |
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exp[ip · n] | = |
cos (n · p) + i · sin (n · p)
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Falls n ungerade ist, wird der Sinus = 0 und der Cosinus
= – 1, q.e.d. |
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Die Auslöschungsregel für bcc-Kristalle sagt im Klartext: |
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Die Ebenen {100}, {300}, ..., {111}, {333}, ..., {120}, {240}, ... usw.
des Kristalls werden eine einfallende Welle nicht
beugen, obwohl die Bragg-Bedingung für das Gitter erfüllt ist. Die Intensität
im gebeugten Strahl ist immer = 0. |
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Ein Beugungsbild, z. B. in einem Elektronenmikroskop, wird also so aussehen: |
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Die feinen Punkte markieren Reflexe, die zwar erlaubt sind, aber per Auslöschungsregel
nicht auftreten. |
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Die roten Kreise vermitteln einen Eindruck der auftretenden Intensität. Die äußert
sich zwar nicht im Durchmesser der Beugungspunkte, sondern in ihrer "Lichtstärke"
auf dem Leuchtschirm, aber das kann man graphisch nicht leicht wiedergeben. |
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Die Auslöschungsregel des bcc-Gitters ist auch geometrisch leicht
zu verstehen. Wir müssen nur unser ursprüngliches Bild, das wir zur
Herleitung der Bragg-Bedingung verwendet haben, für einen bcc-Kristall zeichnen: |
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Die roten Atome kommen dazu – wir haben einfach doppelt so viele, aus Sicht
des Kristalls identische Ebenen, wie im simplen kubischen Gitter. Die an den roten Atomen
der zusätzlichen Ebenen reflektierte Welle ist genau in Antiphase zur Welle eins drüber und wird also immer für
Auslöschung sorgen. |
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Für die oben betrachteten {100} Ebenen des Gitters
wird die Intensität der Reflexe also im bcc Fall = 0 sein – wie berechnet. Für all die anderen
Ebenen mit ungerader Indizessumme kann man die Auslöschungsregel ähnlich visualisieren
– aber eine Formel ist eben doch viel praktischer. |
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Falls wir statt eines Eisenatoms jetzt eine beliebig komplizierte Basis auf die
Gitterpunkte setzen, erhalten wir dasselbe Ergebnis – geändert hat sich letztlich nur der Vorfaktor; statt fFe
haben wir jetzt einen mehr oder weniger komplizierten Ausdruck. |
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Die Auslöschungsregel für das bcc-Gitter (und auch für das
gleich betrachtete fcc Gitter) gilt also immer. |
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Wir könnten jetzt andere Gittertypen probieren um zu sehen, ob wir vielleicht
ebenfalls simple Auslöschungsregeln finden. Das werden wir jedoch in einer kleinen Übung tun, hier nur einige
Ergebnisse |
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Auslöschungsregel für fcc-Gitter:
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F ¹ 0 für |
{ |
h, k, l alle gerade |
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h, k, l alle ungerade |
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Reflexe von z.B {100}-, {110}-, {120}-, ... oder {110}-, {120}-,
... Ebenen treten demgemäß nicht auf (0 zählt als gerade Zahl). |
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Auslöschungsregel für Diamantgitter
(mit lauter identischen Atomen). | |
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F ¹ 0 für |
{ |
h + k + l = 4n; n = 0, 1, 2, 3, ... und
alle Indizes gerade |
h, k, l alle ungerade und
¹ 0 |
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Reflexe von z.B {100}-, {200}-, {300}-,... oder {110}-, {330}-,
... Ebenen treten demgemäß nicht auf. |
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Diese Auslöschungsregel gilt nicht immer – in voller Strenge nur für
gleiche Atome in der Basis. Haben wir verschiedene
Atome, betrachten wir ein fcc-Gitter mit einer etwas komplizierteren Basis. |
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Falls die Atome nicht sehr verschieden sind
(z.B. beim GaAs), können wir erwarten, dass die fcc-Auslöschungsregel absolut gilt und die Diamantgitter-Auslöschungsregel
ungefähr. |
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Damit erwarten wir für die Reflexe, die bei fcc erlaubt, bei Diamant
aber verboten sind, eine geringe Intensität – und schon wieder haben wir eine qualitative Regel, die uns wertvolle
Hinweise für eine Analyse unbekannter Kristalle gibt. |
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Mit ein bißchen Übung kann man also schon aus der Grundstruktur eines
Beugungsbilds auf den Gittertyp schließen. |
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Strukturanalyse aus Beugungsexperimenten |
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Wenn wir die Rechnerei von oben fortsetzen, d.h. für die Atomformfaktoren
Zahlenwerte einsetzen, ist es nur noch ein relativ kleines (numerisches) Problem, alles wünschenswerte über die
Beugung von Wellen an einem gegebenen Kristall auszurechnen. |
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Auch für noch so komplizierte Kristalle ist das kein großes Problem; allenfalls
muß man sich über die Konsequenzen der gemachten Näherungen Gedanken machen. |
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Wie ist die Umkehrung des Verfahrens? Wir
kennen den Ausgang eines Beugungsexperiments, aber nicht was für einen Kristall wir verwendet haben. Können wir
aus den Beugungsdaten die Kristallstruktur ermittteln? Das ist natürlich die wirklich interessante Fragestellung. Die
Antwort ist schwierig und umfaßt zwei Teile: |
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1. Es ist einfach, den Gittertyp (welches Bravaisgitter?)
und die Gitterkonstanten eindeutig zu bestimmen. Das ist der aus den Bragg-Bedingungen
folgende Teil der Strukturanalyse. |
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2. Es ist schwierig, und nicht immer eindeutig, die Basis zu ermitteln. Das ist der
aus den Intensitäten folgende Teil der Analyse. |
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Der Grund ist klar: Viele verschiedene Funktionen können denselben Wert eines
bestimmten Integrals liefern; aus dem Zahlenwert selbst sind keine eindeutigen Rückschlüsse auf die integrierte
Funktion möglich. Außerdem haben wir in den Intensitäten die Phaseninformation verloren. Wir brauchen also
Zusatzinformationen. Diese können sein: |
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Wir kennen die Intensitäten mehrerer Reflexe. |
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Die Basis ist groß oder klein – je nach Gitterkonstante. Zum Beipiel können
in einem fcc-Gitter mit 0,3 nm Gitterkonstante nicht viel Atome sitzen, während ein triklines Gitter
mit Gitterkonstante um die 10 nm nach sehr vielen Atomen verlangt. |
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Es müssen Atome mit ähnlichen Atomformfaktoren beteiligt sein, denn Auslöschungsregeln
sind fast, aber nicht ganz erfüllt. |
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Es sind Atome der Sorte x beteiligt – wir wissen das aus anderen Analysen. |
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Und so weiter. |
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Das Problem ist nun: Wie bringt man diese Zusatzinformation ein? Es gibt schlicht
kein Generalrezept (im Sinne einer mathematischen Formel oder eines Algorithmus). |
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Trotzdem ist es heute möglich, auch extrem komplexe Strukturen (z.B Proteine) mit hunderten
von Atomen in der Basis durch Beugungsexperimente eindeutig zu charakterisieren – es gibt große Software Pakete,
die das "können". |
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Man geht dabei auch "invers" vor: Mit Hilfe des Rechners werden verschiedene vermuteten
Modelle der Struktur ausgewertet und an die gemessenen Intensitäten angepaßt. Bei Übereinstimmung ist die
Struktur ermittelt. |
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Die Kunst liegt immer mehr in der Präparation, d.
h. in Verfahren die aus kleinsten Mengen hochkomplexer Moleküle einen Kristall zu formen können – denn nur
in kristalliner Form kann die Analyse überhaupt greifen. |
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Das Bild unten zeigt ein beliebiges Beispiel des heute möglichen –
rechts der (Protein)kristall, links die Basis. Die gelben und blauen Ketten deuten die Molekülstruktur nur an. |
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Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang, daß vor genau 50 Jahren (1953)
Francis Crick und James Watson
(und Rosalind Franklin
und Maurice Wilkins) die Struktur der DNA entdeckt haben.
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Eigentlich hat Rosalind Franklin die entscheidenden Röntgenbeugungsexperimente gemacht,
aber es blieb Watson vorbehalten, durch maßstäblichen Modellbau mit den bekannten Bausteinen der DNA auf
die Doppelhelix zu stoßen, die dann in der Rückwärtsrechnung die gemessenen
Reflexe ergab; mehr dazu im Link. |
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© H. Föll (MaWi 2 Skript)