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Inzwischen wissen wir, dass viele Eigenschaften der Materialien aus der (Kristall-)Bindung
kommen. Die exakte Gestalt des Potentialtopfes einer Bindung
gibt uns: |
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Das ist eine ganze Menge. Falls wir aber die Kristallstruktur kennen, d.h. Gitter
und Basis, wissen wir noch etwas mehr. |
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Alle obigen Eigenschaften (und noch viel mehr) können in zwei Varianten auftreten:
- isotrop; d. h. in jeder beliebigen Richtung mißt man dieselbe Eigenschaft,
z. B. denselben Wert des E-Moduls.
- anisotrop; d. h. die Eigenschaft ist eine Funktion der Kristallrichtung
<u,v,w>.
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Kurzes (oder längeres) Nachdenken führt zum Schluss, dass alle Gitter
außer den kubischen automatisch zu anisotropen
Eigenschaften führen müssen! |
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Wer's nicht glaubt, berechnet mal den E-Modul als Funktion von <u,v,w>. Hinweis: Da der E-Modul die auf eine Flächeneinheit
bezogene "Federkonstante" der Bindung ist, muss man die Zahl der Bindungen pro Einheitsfläche abzählen. |
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Vom (hexagonalen)
Graphit wissen wir, dass die {001}-Kristallebenen sehr leicht gegeneinander verschiebbar sind, senkrecht dazu
aber "gar nichts geht". Anisotroper geht's nicht. Im "Bleistift" oder in Graphitschmierstoffen wird
diese Eigenschaft gezielt genutzt; ebenso in CFK (Carbon-Faser-Kunststoffverbund). |
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Die sich aufdrängende Frage ist nun: Warum merkt man vom grundsätzlich
anisotropen Verhalten der meisten Kristalle (z. B. der Steine oder der hex. Metalle "eigentlich" nichts? Die Antwort
ist: |
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1. Die meisten Kristalle sind Polykristalle.
In jedem Korn sind die Eigenschaften anisotrop.
Über viele Körner mit statistisch verteilten Richtungen gemittelt, finden wir aber einen isotropen Mittelwert. |
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2. Die Anisotropie ist durchaus vorhanden, fällt dem Laien aber nicht
auf, da er die Zusammenhänge nicht durchschaut. Zum Beispiel sind die hexagonal dicht gepackten Metalle wie Mg
deutlich spröder als die kubischen fcc- oder bcc-Metalle, und das ist sowohl eine direkte Folge der anisotropen
hexagonalen Kristallstruktur als auch ein großes technisches Problem. |
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Defektinduzierte Eigenschaften |
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Ein Polykristall ist im Gegensatz zum Einkristall eine Struktur mit Kristallgitterdefekten.
Diese Defekte können sein Verhalten isotrop machen, obwohl der zughörige Einkristall stark anisotrop sein kann. |
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Ein Polykristall enthält notwendigerweise
Korngrenzen, und Korngrenzen sind Defekte im Kristall. Wir haben einen unübersehbaren
Hinweis darauf, dass Defekte die Eigenschaften eines Kristalls stark ändern können, wie schon in der Einleitung behauptet. |
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Dass Al2O3 als Polykristall
plebeisches Schleifpapier oder Korund darstellt, während der mit Cr oder Ti leicht verunreinigte Al2O3-Einkristall als Rubin oder Saphir teuer verkauft wird, wurde auch
schon mal erwähnt. |
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Wir werden uns also bald den Defekten im Kristall widmen; voher schauen wir uns aber noch
ein paar wichtige Kristalle genauer an. |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)