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Wir beginnen diesen Modul mit einer Aufgabe zu einer idealen Feder, die man unbedingt machen, aber auf
jeden Fall ansehen und nachvollziehen sollte (Lösung vorhanden)! |
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Dann schauen wir uns mal einen simplen Versuch an: Wir ziehen eine Feder lang.
Wir nehmen aber keine Sprungfeder (technisch korrekt: Schraubenfeder), sondern der Einfachheit halber nur einen zylindrischen
Draht. |
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Falls wir eine Sprungfeder nehmen würden, hätte die Feder eine Länge
lFed, der Draht, aus dem sie gewickelt ist, aber eine viel größere Länge lDra.
Zieht man die Feder um ein DlFed lang, verlängert sich der Draht
selbst nur um DlDra »
DlFed · (lFed / lDra); außerdem
wird er auch noch tordiert (= verdrillt). |
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Das ist uns zu kompliziert, wir ziehen deshalb gleich an einem geraden Draht der Ausgangslänge
l0. |
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Je nach angelegter Kraft F wird der Draht um ein Dl
länger werden, und wir können eine "Federkonstante" kFed = F/Dl
definieren. Wenn wir einen dickeren oder kürzeren Draht aus demselben Material nehmen oder den Draht jetzt wickeln,
resultieren jeweils andere "Federkonstanten". |
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Das Verhalten des Materials gegenüber mechanischer Belastung ist aber eine
Materialeigenschaft, die man sinnvollerweise mit einer einzigen
Zahl beschreibt. Dazu müssen wir uns von den Dimensionen unabhängig machen und zu spezifischen
Größen übergehen; exakt so wie vom Widerstand eines Materials (gemessen in W)
zum spezifischen Widerstand. (gemessen in Wcm). |
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Das machen wir zunächst durch zwei simple Definitionen anhand der unten schematisch dargestellten
Geometrie bei einem Zugversuch. |
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Nebenbei nehmen wir schon mal zur Kenntnis, dass der Zugversuch
das paradigmatische Experiment zur Bestimmung der "mechanischen" Eigenschaften aller
Festkörper ist! |
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Was man bei einem duktilen = plastisch verformbaren Material typischerweise findet
ist in dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm rechts gezeigt. Nach einem rein
elastischen Bereich kommt vor dem endgültigen Bruch noch
ein duktiler Bereich. Wir interessieren uns hier aber nur für den elastischen Bereich. |
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E-Modul statt Federkonstante |
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Für eine gegebene Kraft wird die Längenänderung Dl
bei einem "dicken" Körper mit großer Querschnittsfläche A kleiner sein, als bei
einem schlanken Körper desselben Materials. |
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Um dieselbe Längenänderung Dl
zu erreichen muß man offenbar dieselbe mechanische Spannung
s
anlegen, d.h. dieselbe Kraft pro Fläche. Damit ist mechanische
Spannung definiert als |
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Wir werden zukünftig immer s
verwenden und bei mechanischen Problemen nicht mehr von Kräften sondern von (mechanischen) Spannungen reden. |
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Die Maßeinheit für mechanische Spannungen ist das Pascal
; abgekürzt Pa. Ein
Pascal ist definiert als
1 Pa = 1N/m2 = 1 Newton pro
Quadratmeter. |
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Man könnte das natürlich mit der
elektrischen
Spannung verwechseln, aber aus dem Kontext ist auch ohne das Adjektiv "mechanisch" praktisch
immer klar um was es geht. |
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Da auch ein langer Körper bei derselben Spannung eine größere
Längenänderung zeigen wird als ein kurzer, ist es zweckmäßig auch die Längenänderung so zu
normieren, daß sie von der Ausgangslänge des Probenkörpers unabhängig wird. |
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Dies wird durch die Definition der Dehnung
e
erreicht: |
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e(s) | = |
Dl l | = |
l(s) – l0
l0 | = | l
(s) l0 |
– 1 |
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l(s) ist dabei die jeweilige von der Spannung abhängige
Länge; l0 ist die Ausgangslänge für s = 0. |
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Die Dehnung hat in dieser Definition keine Maßeinheit,
sie ist dimensionslos. Multipliziert man den Zahlenwert mit 100, hat man die Verlängerung des Körpers in
Prozent
%. ("%" ist übrigens keine Maßeinheit!) |
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Damit läßt sich für Körper mit konstantem Querschnitt verallgemeinern:
Bei gleicher Spannung wird immer die gleiche Dehnung auftreten, unabhängig von den Dimensionen des Körpers. |
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Gleiche Spannung produziert
gleiche Dehnung |
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Macht man einen realen Zugversuch, findet man im linearen
elastischen Bereich eine eindeutige Beziehung zwischen
s und e, d.h. s = s(e). |
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Elastischer Bereich heißt, daß für jeden
Wert von s sich immer der gleiche Wert von e einstellt.
Dies bedeutet insbesondere, daß bei Wegnehmen der Spannung, der Körper wieder
seine ursprüngliche Länge hat. |
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Dies muß nicht so sein; wer schon mal sein Auto gegen ein Hindernis gefahren hat weiß,
daß es auch inelastische
oder plastische Dehnungen gibt - nach Wegnehmen der mechanischen Spannungen
ist die alte Form nicht wieder hergestellt! Im Link kann man einen Großversuch
zu nichtelastischen Verformungen bewundern (inkl. Brüche und Flüche). |
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Für den elastischen Bereich einer s-e
-Kurve läßt sich jedoch als Materialkonstante der (nicht "das") Elastizitätsmodul
E (kurz
E-Modul) definieren als |
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Der E-Modul wird uns noch hinreichend beschäftigen. In Kürze deshalb
nur einige wichtige Punkte:
- Die Maßeinheit des E-Moduls ist [N/m2] oder Pascal [Pa], d. h. sie ist identisch zu der
Maßeinheit der Spannung.
- Werte liegen maximal um 103 GPa für sehr harte Materialien (Diamant, Keramik),
um 102 GPa und darunter für normale Metalle ("Stahl"), und um 1 GPa bis herunter
zu 10–2 GPa für weiche Materialien (Holz - Styropor, Gummi). Mehr
dazu im Link.
- Der E-Modul von Mixturen (Stahlbeton; Faserverstärkte Kunststoffe,..) ist eine Art Mittelwert des E-Moduls der Komponenten.
- Der E-Modul wird bei den elektrischen Eigenschaften der Dielektrika noch wichtig werden!
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Was ist nun der Zusammenhang zwischen der "effektiven Federkonstranten"
kFed einer Bindung und dem E-Modul des Materials? |
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Das ist so einfach, dass wir es in einer schnellen
Übung tun. |
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Heraus kommt kFed = E · r0
mit r0 = Bindungsabstand oder ungefähr "Gitterkonstante" (was das ist, lernen wir
später; auch dieses Ergebnis leiten wir weiter unten ausführlich her). |
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Mikroskopische Betrachtung des E-Moduls |
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Wir machen jetzt etwas sehr Wichtiges: Wir setzen uns eine virtuelle Brille auf,
mit der wir unter extrem hoher Vergößerung in Materialien hineinschauen können. Solche "Brillen"
gibt's auch real, man nennt sie "Hochauflösungstransmissionselektronenmikroskope
" (HRTEM); im Kieler Nanolabor steht eines herum. |
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Virtuell kommt's aber deutlich billiger;
wir sparen so um die 2 Mio . Wenn wir mit unserer virtuellen HRTEM-Brille unserem (kristallinen) Prüfkörper
beim Langgezogenwerden zuschauen, sehen wir dies (Hinweis: "Sehen" tun wir mit dem Gehirn, nicht mit den Augen): |
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Wir sehen: Beim Zugversuch (im elastischen Bereich) ziehen wir (bei allen Kristallen
und den meisten amorphen Materialien) schlicht und ergreifend die Bindungen in Zugrichtung "lang". |
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Das ist eine monumentale Erkenntnis! Wir haben eine erste nicht-triviale Eigenschaft von Materialien
auf fundamentale Parameter – die Bindungen – zurückgeführt
(wenigstens im Prinzip). |
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Jetzt berechnen wir mal schnell den E-Modul
aus dem als bekannt vorausgesetzten Bindungspotential, und zwar im linearen Bereich
(d. h. für kleine elastische Verformungen). Dazu setzen wir die Querschnittsfläche der Zugprobe auf r02
(r0 ist der Abstand zwischen den Atomen oder die "Gitterkonstante" unseres [kubischen]
Kristalls). Mit andern Worten: Wir ziehen nur eine Bindung lang! |
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Darf man das? – Wer sollte es verbieten? Der gesamte Effekt beim Langziehen einer Probe
ist schließlich nur die Summe der Effekte der Bindungen. Man kann es übrigens heutzutage sogar experimentell
machen! |
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Um den Abstand eines Atoms in irgendeiner Anordnung mit Bindungsabstand r0
zu seinen Nachbarn zu ändern, muß eine Kraft FAtom angreifen, die dann auf die für
das Atom (im Kristall) spezifische Fläche A = r02 wirkt. |
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Die auf ein Atom bezogene Spannung s = F/A
ist damit |
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Der Abstand zu den Nachbarn wird sich ändern, die zugehörige Dehnung e
(in Zugrichtung) ist |
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Die Kraft FAtom , um gegen
das Bindungspotential das Atom zum Ort r zu bringen, ist direkt durch die Ableitung
des Potentials
U(r) gegeben, wir haben FAtom = +dU(r)/d
r. |
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Wir haben jetzt ein Plus- anstelle eines Minuszeichens, denn wir betrachten
jetzt die äußere Kraft, die gegen die rücktreibende Kraft des Potentials
"arbeitet" (Zugversuch!). |
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Der E-Modul E war definiert als |
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E | = |
ds de | = |
d[FAtom/r02] de |
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wobei wir für kleine elastische Verformungen die Ableitung dann natürlich
an der Stelle e = 0 (das entspricht r = r0) nehmen müssen. |
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Setzt man alle Beziehungen von oben ein, berücksichtigt die Kettenregel |
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dFAtom de | = |
dFAtom dr | · |
dr de |
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und berechnet dr/de = r0, erhält
man |
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E | = |
1 r02 |
· |
dFAtom dr | · |
dr de |
= | 1
r02 | · | d2U
dr2 | · |
r0 |
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Aha! Der E-Modul "steckt" komplett in der 2. Ableitung des
Bindungspotentials! |
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Falls unser Bindungspotential um das Minimum herum halbwegs "harmonisch"
ist, d.h. der Parabel einer idealen Feder entspricht, ist die 2.
Ableitung eine Konstante – eben die "Materialkonstante
" Elastizitätsmodul. |
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Das können wir leicht prüfen: Falls E = ds
/ de = const wirklich gilt, messen wir im Zugversuch als Verformungsdiagramm s(e) eine exakte Gerade. Aus evtl. Abweichungen von einer exakten Geraden können wir auf Abweichungen
des Bindungspotentials von einer Parabel schließen. |
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Wir werden radikal |
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Für das Bindungspotential eines beliebigen Materials haben wir uns schon
eine relativ allgemeine Näherungsformel erarbeitet; sie lautete
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Wir haben 4 Unbekannte in dieser Gleichung: A, B,
m , n, über die wir nicht allzuviel wissen. Was wir jedoch wissen - weil es einfach zu
messen ist - sind die Zahlenwerte für den Gleichgewichtsabstand
r0 und für die Bindungsenergie
U0. |
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Wir machen also folgendes: Wir substituieren A und B
durch r0 und U 0, differenzieren die erhaltene Gleichung 2 mal,
teilen das Ergebnis durch r0 und erhalten den E-Modul als Funktion von U0,
r0, m und n. |
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Viel Glück! |
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Schon wieder stoßen wir auf ein typisches Problem der MaWi:
Die Mathematik wird schnell mal (etwas) anspruchsvoll; das Ergebnis ist aber einfach. Es lautet: |
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E = | 1 |
· | d2U |
= | n · m · U0
| r 0 | dr2 |
r03 |
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Warum ist die Mathematik anspruchsvoll? Weil wir für die Substitution Gleichungen
n-ten (oder m-ten) Grades zu lösen haben, und dafür gibt es für n >
4 kein "Rezept" (= Lösungsformel) mehr! |
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Wer mal schauen will, wie gut sie in Mathe ist, kann's gern mal probieren. Hier ist der Link zu dieser Extra Aufgabe für Spezialistinnen. |
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Der Rest glaubt's einfach (oder schaut die Lösung
zur obigen Aufgabe an) und überlegt sich, ob man mit der obigen Formel noch was machen kann. |
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Man kann. Zunächst mal nehmen wir wahr, dass r 03
in etwa dem Atomvolumen entspricht, das wir sehr leicht über die Dichte des Festkörpers erhalten können.
Die Bindungsenergie U0 muss etwas mit dem Schmelzpunkt Tm zu tun haben,
denn am Schmelzpunkt
gehen per Definitionem die Bindungen auf. Im Großen und Ganzen muss die thermische Energie kBT
m, d.h. Boltzmannkonstante
kB mal Schmelzpunkttemperatur ungefähr gleich U0 sein. |
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Aufgepasst! Wir haben gerade so nebenbei eine erste sehr wichtige Eigenschaft
aus dem Bindungspotential "abgeleitet". Den Schmelzpunkt
eines Materials! |
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Aber es gibt eine Einschränkung: Die Gleichsetzung U0 = kBTm
ist gut genug für qualitative oder Größenordungsbetrachtungen, aber nicht gut genug für die Berechnung
genauer Zahlenwerte für Tm . |
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Für den E-Modul bekommen wir jedenfalls als
Faustformel: |
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E » | const. · kB
Tm r0 3 |
» |
80 kBTm r03 |
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Der Faktor 80 für n · m und die sonstigen Näherungen
ist an experimentelle Werte angepaßt. |
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Das ist nun wirklich eine simple Formel, die aber gar nicht so schlecht ist. Sie stimmt ganz
gut für alle Bindungstypen und fast alle Materialien, wie in einem
speziellen Illustrationsmodul gezeigt. |
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Aber es gibt eine große Ausnahme; vergleiche einen
weiteren Illustrationsmodul aus dem MaWi-I-Hyperskript!
Man kommt mit der Faustformel nicht unter
E » 1 GPa. Was stimmt also beim Gummi (EGum
<< 1 GPa) nicht? Wir kommen darauf zurück! |
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Um sicher zu sein, dass alles sitzt, machen wir noch die folgenden einfachen Übungen: |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)