5. Halbleiter

5.1 Intrinsische Halbleiter

5.1.1 Ladungsträgerdichte im thermischen Gleichgewicht

Bestimmung der Elektronenkonzentration im Leitungsband

Wir werden jetzt relativ zügig die in Kapitel 4 gewonnenen Erkenntnisse anwenden und vor allem quantitative Betrachtungen anstellen.
Die entscheidende Größe für die Leitfähigkeit war die Dichte an beweglichen Ladungsträgern im Valenz- und Leitungsband. Bei Halbleitern ist sie bei T = 0 K gleich Null.
Bei endlichen Temperaturen wird die thermische Energie ausreichen, um einige Elektronen vom Valenzband ins Leitungsband zu befördern,. Diese werden zwar nach nach Ablauf der Lebensdauer wieder rekombinieren, aber die thermische Generation erzeugt ja auch ständig wieder neue Elektron-Loch Paare.
Zwischen Generation und Rekombination wird sich ein thermisches Gleichgewicht einstellen, mit (im Mittel) konstanter Konzentration an Elektron-Loch Paaren. Und für das thermische Gleichgewicht in intrinsischen Halbleitern haben wir fertige Formeln!
Der Terminus "intrinsisch" steht hier wie zuvor für "ohne Hilfe von außen". Damit ist schlicht und einfach gemeint, daß wir über ideale, perfekte Kristalle sprechen, deren Eigenschaften "von innen" kommen, d.h. immer da sind.
Wir ventilieren jetzt nämlich ganz offenbar die Frage, wieviele der Plätze (= Zustände) im Leitungsband bei der Temperatur T besetzt sind. Die Antwort darauf gibt immer dieselbe Fundamentalformel:
Die Zahl (oder Volumendichte) n(E,T) der besetzten Plätze bei der Temperatur T und Energie E pro Energieintervall DE ist gegeben durch: Zustandsdichte D(E) mal Fermiverteilung f(E,T).
ne(E, T)  =  D(E) · f(E, T) ·DE
Das "oder Dichte" bezieht sich immer darauf, ob wir die Zustandsdichte als Zustände pro Energieintervall (entpricht Zahl), oder pro Energieintervall und Volumenelement (entspricht Dichte) angeben.
Die Gesamtzahl (oder Dichte) nL(T) aller Elektronen im Leitungsband ist dann
neL(T)  =  ¥
ó
õ
EL
D(E) · f(E, T) · dE
Dabei ist EL die Energie der Leitungsbandkante.
Wir haben schon eine kleine Näherung eingebaut, weil wir bis ins Unendliche integrieren statt bis an die obere Leitungsbandkante. Aber weiter oben im Leitungsband drückt die Fermiverteilung sowieso alles auf Null, die obere Integrationsgrenze ist damit unerheblich.
Wir haben jetzt zwei Probleme
Wir kennen die wirkliche Zustandsdichte des jeweiligen Materials nicht, und falls wir sie kennen würden, wäre das Integral nur noch numerisch zu knacken (man betrachte z.B die Zustandsdichte von Ge).
Wir kennen die Fermienergie EF (noch) nicht.
Aber das sind Scheinprobleme, die wir einfach lösen können: Wir nehmen 1. als Näherung für die Zustandsdichte die Zustandsdichte des freien Elektronengases (normiert auf EEL) , und lassen 2. die Fermienergie als freien Parameter einfach erst mal stehen.
Damit erhalten wir
neL(T)  =   ¥
ó
õ
EL
æ
ç
è
(2me)3/2
23p2
· (EEL)1/2 ö
÷
ø
. æ
ç
è
exp æ
è
EEF
kT
ö
ø
 +  1 ö
÷
ø
–1 · dE
Das sieht auch noch nicht so prall aus, obwohl man dieses bestimmte Integral vielleicht sogar exakt lösen könnte - wer weiß? Wir werden jetzt wird natürlich nähern:
Statt f(E,T) nehmen wir die Boltzmann-Näherung, d.h. wir setzen f(E,T) » exp–(EEF)/kT. Das können wir machen falls ELEF » kT. Dann erhalten wir
neL(T ) =   (2me)3/2
23p2
¥
ó
õ
EL
(EEL)1/2 . exp – EEF
kT 
· dE
Das sieht nicht nur lösbar aus, das ist auch lösbar - aber auch nur mit viel Mühe!
Helfen wird, daß es Nicht-Mathematikern nicht verboten ist, bei der Lösung einer Matheaufgabe physikalisch zu denken. Hier überlegen wir erst mal, was die entscheidende Variable für die Ladungsträgerkonzentration bei einer gegebenen Temperatur sein wird.
Dazu stellen wir die Integrationsaufgabe mal graphisch dar.
Berechnung der Dichte der 
Elektronen im Leitungsband
Wir haben links die Zustandsdichte des freien Elektronengases, in der Mitte die Fermiverteilung, und rechts das Produkt aus beiden. Die Fläche unter dieser Kurve gibt den Wert des bestimmten Integrals.
Falls wir gedanklich die Zustandsdichte durch die wirkliche Zustandsdichte ersetzen, wird das den Wert des Integrals etwas ändern. Die wirkliche Zustandsdichte ist aber eine Art Materialkonstante, damit nicht variabel, und für den Wert des Integrals als Funktion von z.B. der Temperatur nicht so wichtig.
Die entscheidende Größe, die den Wert des Integrals massiv beinflussen kann, ist ganz klar die Größe des im Leitungsband liegenden "Zwickels" der Fermiverteilung. Damit ist - immer bei gegebener Temperatur - der Abstand der Fermienergie von der Leitungsbandkante die entscheidende Variable.
Man wird also jetzt und in künftigen Fällen gut daran tun, ELEF als neue Variable einzuführen.
Das ist einfach. Wir setzen EEF = EEL – (EFEL); außerdem erweitern wir den (E – EL)1/2 Term mit (kT)½/(kT)½ und ziehen ein (kT)½ vor das Integral - damit haben alle Energieterme die gleiche Form. Dann machen wir noch die naheliegende Substitution
E  –  EL
kT
  =  x        dE  =  kT · dx
Alles zusammen eingesetzt in das Integral (und das zusätzliche kT aus dem dx vorgezogen) ergibt
neL(T)  =  (2me · kT)3/2
2p23
· exp æ
ç
è
EL  –  EF
kT
ö
÷
ø
· ¥
ó
õ
0
x½ · e x · dx 
Das verbleibende bestimmte Integral ist (immer noch mit Mühe) lösbar, sein Wert ist ½ · p½ - also wie gehabt dicht bei 1.
Wir erhalten schlußendlich (wer's nicht glaubt, muß nachrechnen)
neL(T)  =  æ
ç
è
me · kT
21/3 · p2
ö
÷
ø
3/2 · exp – EL – EF
kT 
= const. · T  3/2 · exp – EL – EF
kT 
oder, falls wir was üblich ist,   durch h/2p ersetzen:
neL(T)  = 2 · æ
ç
è
2p · me · kT
h2
ö
÷
ø
3/2 · exp – EL – EF
kT 
= const. · T  3/2 · exp – EL – EF
kT 
Das ist ein fundamentales Ergebnis! Es sagt aus, daß wir fast - bis auf den Faktor T 3/2 - eine altbekannte Arrheniusbeziehung haben.
In der Konstanten steckt im wesentlichen die Zustandsdichte des freien Elektronengases. Man kann diesen Vorfaktor natürlich ausrechnen (Mit T in K eingesetzt) und erhält
neL(T)  = 4.59 · 1015 · T 3/2 · exp – EL  –  EF
kT
cm–3
     
Konzentration der Löcher im Valenzband
   
Nachdem wir jetzt die Konzentration der Elektronen im Leitungsband kennen, fragen wir uns, wie groß ist nV, die Konzentration der Löcher im Valenzband?
Die Antwort ist natürlich sehr einfach: Genauso groß wie die Konzentration der Elektronen im Leitungsband, denn für jedes Elektron im Leitungsband ist ja genau ein Loch in Valenzband entstanden.
Nun stellen wir uns aber kurz mal unwissend und fragen, wie man nV ausrechnen würde, falls man nL nicht schon kennt. Die Antwort muß lauten
Die Zahl (oder Volumendichte) n(E,T) der nichtbesetzten Plätze (= Löcher) bei der Temperatur T und Energie E pro Energieintervall DE ist gegeben durch: Zustandsdichte D(E) der Elektronen mal Wahrscheinlichkeit für Nichtbesetzung (= 1  –  f(E, T)). In Formeln:
nh(E, T)  =  D(E) · [1  –  f(E, T)] · DE
Die Auswertung läuft sehr ähnlich zum Fall der Elektronen, wir erhalten für die Löcherdichte nhV(T) im gesamten Valenzband
nhV(T)  =  EL
ó
õ

¥
D(E)  · [1 – f(E, EF, T)] · dE   = 4.59 · 1015 · T 3/2 · exp –  EFEV
kT 
cm–3
Der einzige Unterschied ist, daß die im Boltzmannfaktor wirksame Energiebarriere jetzt durch EFEV gegeben ist; dem Abstand der Fermienergie von der Valenzbandkante.
Das ist aber auch zu erwarten; wir können ja exakt die gleiche Überlegung, die wir für die Elektronen im Leitungsband schon durchgeführt haben, auch für die Löcher im Valenzband machen.
Zwei Fragen drängen sich jetzt auf
1. Wie groß ist die Fermienergie EF ? Ohne eine Zahl können wir nichts ausrechnen - wir wissen noch nicht einmal ob die Boltzmann-Näherung überhaupt berechtigt war.
2. Wie groß ist der Einfluß des T 3/2 - Terms? In anderen Worten, wie groß ist bei realen Hableitern die Abweichung der log (nL) über 1/T Kurve von einer Arrheniusgeraden?
Die zweite Frage läßt sich beantworten, nachdem wir die erste geklärt haben. Wir widmen uns deshalb jetzt zum ersten mal einer der Zentralfragen der Halbleitertechnologie:
  • Wo liegt (im Banddiagramm) die Fermienenergie?
  • Was genau bestimmt die Lage der Fermieenergie?
  • Wie kann ich sie ausrechnen
Wir werden uns diese Frage mehrmals stellen. Die erste Antwort wird im nächsten Unterkapitel gegeben.
Fragebogen / Questionaire
Multiple Choice Fragen zu 5.1.1

Mit Frame Zurueck Weiter als PDF

© H. Föll (MaWi 2 Skript)