|
Der gebräuchliche Name für nulldimensionale Defekte ist "Punktfehler",
auf englisch "Point defects". |
|
|
Puristen lehnen diese Bezeichnung ab, da diese Defekte zwar kleine, aber durchaus
endliche Ausdehnungen haben, also keine Punkte sind - man wählt dann die Bezeichnung
"atomarer Defekt"; abgekürzt AF. Die Liste der prinzipiell möglichen atomaren
Defekte ist (für Elementkristalle) schnell erstellt. |
|
Es gibt dabei zwei Haupttypen:
Intrinsische und extrinsische atomare Defekt, je
nachdem, ob die Defekte ohne Hilfe von außen erzeugt werden können, sozusagen
aus einem gegebenem pefekten Kristall heraus (dann sind sie intrinsisch) oder ob man von außen
(extrinsisch) eingreifen muß. |
|
|
Intrinsisch und extrinsisch
sind Fremdwörter, die uns noch oft begegenen werden, sie bedeuten: aus dem Innern, von innen kommend, von innen bewirkt;
bzw. aus dem Äußern,... . |
|
Die beiden Grundtypen der intrinsischen Defekte
sind: |
|
|
|
|
|
|
Die Leerstelle, oder, gebräuchlicherweise auf englisch, "vacancy"; abgekürzt immer mit V (nicht mit V = Vanadium verwechseln!) |
|
Ein Atom fehlt. Die restlichen Atome werden natürlich nicht starr am Platz sitzen bleiben, wie in
der Graphik gezeigt, sondern sich etwas in Richtung auf die Lücke zu festsetzen. |
| | |
| |
| |
|
|
Das Eigenzwischengitteratom (gelegentlich abgekürzt mit
ZGA), oder,
gebräuchlicherweise auf englisch "self-interstitial"; abgekürzt
dann "i".
|
|
Ein Atom der Sorte aus denen der Kristall besteht sitzt "auf Lücke" zwischen den regulären
Atomen. |
| |
|
Wie schon früher,, muß hier mal wieder darauf hingewiesen werden, daß die blauen Kreise
in den Bildchen nicht die Atome repräsentieren - die müßten sich "berühren". Allerdings hätten
wir dann Probleme, ein ZGA zu "zeichnen". |
|
| | |
|
|
Extrinsische atomare Defekte kann man mit Hilfe einer
anderen Atomsorte konstruieren: Wir setzen einfach ein "falsches" Atom in
einen Kristall. Das kann man auf zwei Arten tun: |
|
|
| |
|
|
Ein reguläres Atom des Kristall wird gegen ein Fremdatom ersetzt oder substitutioniert. |
| |
|
Wir bekommen als atomaren Defekt ein substitutionelles Fremdatom. |
| | |
| |
|
|
|
|
Ein Fremdatom wird ins Zwischengitter gezwängt. |
| |
|
Wir erhalten ein interstitielles Fremdatom. |
| | |
| |
|
Soweit ist das elementar und einfach zu begreifen. Es wird aber sofort komplizierter
wenn man sich folgende Fragen stellt (und ansatzweise beantwortet): |
|
Wie ist das, wenn man nicht einen einfachen kubischen Elementkristall,
sondern einen komplizierteren Kristall betrachtet? Gibt es u.U. verschiedene Arten von Leerstellen
und Zwischengitteratomen - je nachdem wo man ein Atom entnimmt oder einsetzt? |
|
|
Die Antwort ist: Ja! |
|
Wie ist das bei Kristallen aus verschiedenen
Atomsorten? Gibt es da noch andere atomare Defekte über die hier auch
anwendbare Komplikation von oben hinaus? |
|
|
Die Antwort ist ein überschwengliches Ja!
Im GaAs, z.B. müssen wir auf jeden Fall noch die "Antidefekte"
betrachten, d.h. ein Ga Atom auf einem As Platz und umgekehrt! Auch beim Einbau von Fremdatomen müssen
mehrere Möglichkeiten unterschieden werden. |
|
Wie ist das in Ionenkristallen?
Dort sind die Atome geladen; gilt das auch für die AF? |
|
|
Die Antwort ist Ja: Leerstellen und Zwischengitteratome
sind geladen; da die Nettoladung des Kristalls aber Null sein muß, kann eine Defektsorte nicht
alleine auftreten. Entweder gibt es für ein geladenes ZGA irgendwo eine entgegengesetzt geladene
Leerstelle. Die beiden AF zusammen nennt man dann Frenkel
- Defekt, oder, falls die Ladungskompensation durch eine zweite, entgegengesetzt geladene
Leerstellen erfolgt, Schottky
Defekt. |
|
|
Alternativ können die Ladungen von AF auch durch freie Elektronen
kompensiert werden - z.B. in Halbleitern. |
|
Ab welchen Konzentrationen von z.B. Ag als substitutionelles
Fremdatom in Au redet man nicht mehr von einem Goldkristall mit einem atomaren
Defekt, sondern von einer Au-Ag Legierung? |
|
|
Die Antwort ist: Das kommt darauf an... .
Es gibt keine harte Definition; die Grenze liegt unter etwa 1% Fremdatome. Man spricht von Austauschmischkristallen
wenn die beiden Atomsorten im betrachteten Konzentrationsbereich auf Gitterplätzen sitzen, von Einlagerungsmischkristallen,
wenn eine Atomsorte im Zwischengitter der anderen sitzt. Ob man Fe mit etwa 1% Kohlenstoff nun als Fe
mit C-Zwischengitteratomen, oder als Fe(C) Einlagerungsmischkristall oder als Stahl
bezeichnet, ist bis zu einem gewissen Grad Geschmackssache, |
|
Könnte es sein, daß atomare Defekte, z.B. Leerstellen,
integraler Teil eines Kristalls sind? Daß z. B. eine Würfelecke in einem
kubischen Kristall mit komplizierter Basis grundsätzlich frei bleibt; die Leerstelle sozusagen Teil der Basis ist?
|
|
|
Die Antwort ist prinzipiell: Ja! - ein Beispiel findet sich im Link. |
|
Wann ist ein atomarer Defekt kein atomarer
Defekt mehr, sondern ein dreidimensionaler Defekt? Die Doppelleerstelle (zwei Leerstellen
nebeneinander) ist, das Wort sagt es schon, noch ein atomarer Defekt; die Dreifachleerstelle auch; aber wie ist das mit
der 10-fach Leerstelle? Irgendwann ist das ein Loch oder Hohlraum
(englisch: Void) im Kristall und damit doch ein dreidimensionaler Defekt? |
|
|
Die Antwort ist: Auch das ist nicht exakt definiert.
Es aber auch nicht so wichtig, denn in der Praxis kommen die unklaren Zwischenstadien kaum vor. |
|
Sind atomare Defekte immer so simpel strukturiert wie in den
Graphiken dargestellt? |
|
|
Die Antwort ist: Meistens wohl ja, aber nicht immer.
Über die exakte Struktur des Eigenzwischengitteratoms in fcc Metallen gab es einen jahrzehntelangen erbitterten
Streit zwischen zwei Denkschulen, und im Si gibt es Hinweise, daß bei hohen Temperaturen das Eigenzwischengitteratom
"ausgeschmiert" ist, d.h. daß in einem Volumen das im perfekten Kristall von ca.10 Atomen eingenommem
wird jetzt 11 Atome sitzen; diese sind aber "verschmiert", so daß man nicht eines von diesen Atome
als ZGA bezeichnen kann. |
|
Mit diesem Fragenkatalog kommt man sehr schnell in den Bereich der laufenden Forschung.
Wir wollen das hier aber nicht vertiefen. Wer etwas mehr dazu wissen will, schaut in das Einleitungskapitel des Hyperskripts
"Defects in Crystals" |
|
Zwei Fragen müßten sich jetzt aufdrängen: |
|
|
1. Gibt es in gebräuchlichen Kristallen überhaupt atomare Fehlstellen in
nennenswerten Konzentrationen? Genauer gefragt: Was bestimmt die Konzentration von atomaren Defekten in einem gegebenen
Kristall? |
|
|
2. Sind atomare Defekte wichtig? Für technische Zwecke oder auch "nur so"?
|
|
Die Antwort auf beide Fragen ist ein eindeutiges Ja!
Ohne atomare Fehlstellene in Si gäbe es z.B. keine Halbleitertechologie. Schauen wir uns zunächst die Herkunft
atomarer Fehlstellen an |
|
|
|
Herkunft atomarer Fehlstellen |
|
|
|
Bei extrisischen AFs in einem gegebenen
Kristall ist die Herkunft klar: Die als AF vorliegenden Fremdatome stammen aus: |
|
|
Dem Rohmaterial - d.h. sie waren schom im
Ausgangsmaterial vorhanden. Da es keine 100% reine Substanzen gibt, wird jedes Material unvermeidlich immer ein bißchen
"Dreck" auch in Form atomarer Fehlstellen enthalten. |
|
|
Der Bearbeitung des Materials. Vom Rohmaterial
(z.B. ein Stück Stahlblech) bis zum Produkt (ein Kotflügel) führen immer einige Bearbeitungsschritte. Dabei
ist grundsätzlich möglich, daß sich der Gehalt an extrinsischen AF ändert. Der Frage, wie das
geschehen kann, widmen wir uns etwas später. |
|
Bei diesen beiden Möglichkeiten kann man noch unterscheiden, ob die extrinsischen
AF
absichtlich oder unabsichtlich in das Material eingebracht
wurden. Bei den unabsichtlich vorhandenen AF muß man weiterhin fragen, ob sie möglicherweise, ohne daß
der Anwender das wußte, für die Funktion des Materials wichtig waren? |
|
Dazu zwei, für manchen vielleicht überrachende Bemerkungen: |
|
|
Die Manipulation atomare Fehlstellen im weitesten Sinne ist die Grundlage vieler Technologien.
Die 1. industrielle Revolution basiert zum Beispiel sehr stark auf der großtechnischen Beherrschung von Stahl
- im Gegensatz zu Schmiede- oder Gußeisen - und damit auf der Beherrschung des interstitiellen Fremdatoms Kohlenstoff
im Eisen (bei gleichzeitiger Vermeidung einiger anderer extrinsischen AF). Mehr dazu im Link "Geschichte des Stahls". Bei der 2. industriellen Revolution, die wir gerade
erleben, ist das nicht anders. Alle Halbleiterbauelemente beruhen auf der Beherrschung von Defekten; insbesondere aber der
atomaren Fehlstellen. Auch in vielen anderen Technologien spielen AF eine herausragende Rolle. |
|
|
Atomare Fehlstellen sind oft auch dann für wichtige Eigenschaften eines Materials (mit)verantwortlich,
wenn der Anwender das gar nicht weiß. Es gibt viele Beispiele auch aus jüngster Zeit, wo eine unbewußte
Änderung der Reinheit eines Materials (also weniger oder mehr extrinsische AF gegenüber dem alten Zustand)
weitgehende bis dramatische Folgen für ganze Produktionsabläufe hatte. Einige Beispiel dazu in den Links "Und sie wissen nicht (immer) was sie tun" und "Loosing Large Amounts of Money with Wet Chemistry". |
|
Wo kommen die intrinsischen AF her? Die Antwort wird uns tief in die statistische
Thermodynamik führen und uns in Kapitel 5 lange beschäftigen. Hier nur soviel: |
|
|
Ein Kristall enthält im thermodynamischen Gleichgewicht immer
eine bestimmte Anzahl von intrinsischen AF; sie gehören untrennbar zu seiner Struktur. Ihre Konzentration n
ist gegeben durch folgende Formel, die wir in Kap 5 erarbeiten werden: |
| |
|
|
|
Mit
a = Kostante » 1 cm–3, E = eine für den
spezifischen Defekt typische Bildungsenergie
» (0,5 - 2) eV für Leerstellen und » (2 -
5) eV für ZGA. |
|
Entscheidend ist, daß der (hellblau gezeichnete) Si-Kristall ganz
bestimmte substitutionelle Fremdatome enthält - die roten Punkte markieren z. B.
Phosphor Atome, die blauen Punkte Bor Atome in Konzentration
um 1
ppm. |
|
|
Diese Fremdatome müssen bei der Herstellung des Transistors in die richtigen
Bereiche des Kristall in der richtigen Konzentration eingebracht werden - aber wie? |
|
|
Sie können nur1)
von außen kommen, d.h. sie müssen durch die Oberfläche in den Kristall hinein diffundieren.
Wie geht das? Der Kristall ist ja ein geschlossenes Gebilde; Atome können da nicht so einfach durchwandern. Wir haben
eine Situation wie im nächsten Bild gezeigt |
|
|
|
Oben links ist die Ausgangssituation
gezeigt. Zwei rote Phosphoratome sitzen auf der Oberfläche und sollen ins Innere. Das geht erst, wenn mal eine
Leerstelle "vorbeikommt" (mittleres Bild). Das rechte Bild zeigt dann die Situation etwas später. Die
beiden Atome sind ewas ins Innere gewandert, sitzen aber immer fest, bis mal wieder eine Leerstelle vorbeischaut! Der
Kristall ist dabei noch viel geschlossener als hier aus Gründen der Übersichtlichkeit gezeichnet. Die Kugeln müßten
sich ja berühren, oder sogar ein bißchen durchdringen, wenn richtige Bindungen vorliegen. |
|
|
Gezeigt ist der Leerstellenmechanismus
der Diffusion. Nur über diesen Mechanismus ist die Bewegung von Atomen auf Gitterplätzen möglich.
In der Regel werden die Atome des Kristalls selber in ein benachbarte Leerstelle springen - man spricht dann vonn Selbstdiffusion - aber hin und wieder gelingt das auch der kleinen Minorität der substitutionellen
Fremdatome. Das ganze kann im Link "Diffusionsmechanismen"
animiert betrachtet werden. |
|
|
Die Leerstelle selbst muß dabei notwendigerweise auch beweglich sein. Sie
sitzt nicht immer am selben Platz, sondern bewegt sich durch das Kristallgitter in völlig statistischer Weise - sie
diffundiert indem Gitteratome mit ihr den Platz wechseln. |
|
|
Damit wird klar, daß die Diffusiongeschwindigkeit, mit der sich ein Phosphoratom im
Si Gitter bewegen kann (oder jedes andere substitutionelle Fremdatom in jedem anderen Gitter) im wesentlichen davon
abhängt wie hoch die Leerstellenkonzentration ist und wie schnell sich die Leerstellen selbst
bewegen. |
|
|
Die entscheidende Größe für die Mobilität eines Fremdatoms ist seine
Sprungfrequenz, d.h. die (mittlere) Zahl von Sprüngen pro Sekunde mit der (im Mittel)
sich eine Leerstelle auf einem Nachbarplatz bewegt. |
|
Die Diffusion von interstitiellen Fremdatomen
kommt dagegen ohne Leerstellen aus. Hier hüpfen die Atome direkt von einem Zwischgitterplatz zum nächsten - beobachtbar
im Link "Diffusionsmechanismen". Interstitielle
Fremdatome diffundieren deshalb häufig schneller als die substitutionellen. |
| |
|
© H. Föll (MaWi 1 Skript)