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Um Stahl zu machen
braucht es zuächst mal Eisen. Im Gegensatz zu den Edelmetallen (und gelegentlich
auch mal Cu), kommt Eisen in der Natur nicht elementar vor, sondern immer als Verbindung, i.d.R. als Oxid.
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Aber im Gegensatz zu einigen anderen als Oxidverbindung vorliegenden Metallen,
reicht die Temperatur eines besseren Feuers nicht aus, um Eisenoxid zu reduzieren und
das entstandene Eisen zu verflüssigen - der Schmelzpunkt von Fe ist Tm(Fe) = 1535 0C. |
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Deshalb hat niemand in den ersten 2000
Jahren (oder so) der Eisenzeit jemals Eisen oder Stahl geschmolzen und gegossen (das
"Gußeisen" der alten Chinesen fällt nicht unter "Eisen und Stahl"!)
- es wurde immer nur geschmiedet! Wagners Siegfried, wie auch
die Typen in "Conan der Barbar", usw. usf., haben Schwerter nicht gegossen, sondern geschmiedet, d.h. aus kleinen festen Brocken
mühsame "feuergeschweißt" und in die gewünschte Form geklopft. Und das war unvorstellbar mühsam und kunstreich! |
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Bei Cu ist das anders (Tm(Cu) = 1083 0C);
bei einem heißen Feuer mit viel Holzkohle wird fast automatisch flüssiges Cu herauslaufen, wenn kupferhaltiges
Gestein im Feuer liegt. Das ist wahrscheinlich schon vor gut 6000 Jahren geschehen und in seiner Bedeutung erkannt
worden. Man kann spekulieren, daß die frühen Töpfer (die in ihren Brennöfen die nötige Temperatur
von ca. 1200 0C erreichten), vielleicht versucht haben, das als Schmuckstein bekannte grüne Mineral
Malachit zum Verzieren der Töpfe zu verwenden. Was für eine Überraschung, als
sie statt schöner Töpfe in der Asche das sehr wertvolle Cu vorfanden, das man bisher nur in kleinen Mengen
aus Funden im Gebirge oder in Flußbetten kannte. |
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Entscheidend ist, daß die Menschheit schon früh erkannte, daß
Materialien ineinander umwandelbar waren; aus unscheinbaren Steinen konnten schimmernde Metalle gewonnen werden! Die Alchemie hat hier ihre Wurzeln. |
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Die frühe Metallindustrie begann; das nächste großtechnische
Produkt war die Bronze (Cu + (5 - 10) % Sn und oft etwas As). Hier stoßen
wir schon auf die Bedeutung der "Verunreinigung": Ein bißchen As als Fremdatom macht Bronze "fester";
sie verformt sich nicht mehr so leicht. |
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Außerdem begann eine Umweltkatastrophe, denn für die Verhüttung
von Metallen braucht man große Mengen Kohle - einmal um hohe Temperaturen zu erreichen, aber auch als Reduktionsagent
nach der Grundgleichung MeO + C Þ Me + CO. Zur Verfügung stand ausschließlich
Holzkohle - man brauchte ca. 100 kg davon um 5 kg Cu zu produzieren. |
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Hier liegt - neben dem Schiffsbau - einer der Gründe für die weitestgehend
verschwundenen Wälder in Europa (insbesondere in England) und der unzähligen Geschichten um die "Köhler"
als Berufsstand. |
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Andere Metalle, die schon in der Frühzeit mit beachtlichen Geschick aus
Oxiden und anderen Verbindungen produziert wurden, waren die Edelmetalle, insbesondere Ag, sowie Pb und Hg.
Besonders die Römer waren sehr geschickt in dieser frühen Metallurgie. |
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Aber das nützt alles gar nichts, wenn es um Eisen und Stahl geht. Die Alten kannten Eisen
durchaus - als extrem seltenes und wertvolles Metall, das gelegentlich (als Meteorit) vom Himmel fiel. (Eskimos in Grönland
haben für hunderte von Jahren ihre Schneidwerkzeuge aus einem 30 to Meteor geschmiedet!). Im alten Sumer hieß
Eisen "Himmelmetall" und bei den Pharaonen "schwarzes Kupfer vom Himmel". |
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Man kann also annehmen, daß die alten Materialwissenschaftler nichts unversucht ließen,
auch Fe aus geeigneten Steinen zu erschmelzen. Leider wollte das nicht so recht
klappen - dafür braucht man nämlich eine Temperatur von 1535 0C, und das ist nicht so ganz einfach
zu erreichen. Zwar wußte man schon, daß kräftiges Blasen ins Feuer die Temperatur erhöht, aber dafür
stand nur Lungenkraft zur Verfügung. Im Link ist ein ca. 4500
Jahre altes Relief aus einer Mastaba, dem altägyptischen Grab der Pharaonen und Würdenträger gezeigt, in
dem Goldschmiede dargestellt sind, die zu viert durch Bambusrohre ins Feuer blasen. |
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Bei den in der Antike max. verfügbaren 1200 0C wird nun Eisenoxid zwar
reduziert, aber das Fe wird dabei nicht flüssig. Kleine Fe - Partikel entstanden durch Festkörperreaktionen
und waren eingeschlossen in die "Eisenblüte", eine Mixtur aus unreagiertem
Eisenoxid, Schlacke und unverbrannter Holzkohle, die man dann im Feuer fand. |
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Die frühen Schmiede konnte aber dieses recht reine und weiche Eisen durch Hämmern
bei hohen Temperaturen und allerlei Tricks (inkl.der Magie und Anrufung der
Götter) extrahieren und zu "Schmiedeeisen" kompaktieren. |
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Große Sorgfalt war nötig. Wenn man nicht aufpaßte, oxidierte das Fe
wieder; nahm es zuviel Kohlenstoff auf (3% - 4%), erhielt man Gußeisen mit einem
Schmelzpunkt um 1130 0C, das also flüssig und damit leicht bearbeitbar, aber auch sehr spröde
und relativ nutzlos war. |
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Trotzdem konnten die frühen Schmiede - vom griechischen Gott Hephaistos (dem römischen Vulkan) über
den wagnerischen Mime bis zum germanischen Wieland dem Schmied - aus ihrem mühsam gewonnenen Schmiedeeisen
Gerätschaften bauen (insbesondere natürlich Schwerter), die einfach viel besser waren als die handelsüblichen
Bronzeartikel. |
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Was war das Geheimnis? Zunächst ist es sehr einfach: Der richtige Gehalt des interstitiellen
Fremdatoms C im bcc - Gitter des Eisens bei Raumtemperatur ist wichtig. Erhöhte man (ohne natürlich
zu wissen was man tat) den kleinen C - Gehalt von ca. 0,1 % des Schmiedeeisens auf optimale 0,9%, stieg
die Festigkeit aufs dreifache! War allerdings zuviel C im Fe - z.B. 2% - war man schon auf dem Weg
zum spröden und für Schwerter unbrauchbaren Gußeisen. |
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Da man Fe aber nicht schmelzen konnte, war der übliche (empirische) Weg des Zufügens
von "magischen" Substanzen zur Schmelze versperrt. Der einzige Weg war, Kohlenstoff (und/oder, mit ebenfalls guter
Wirkung, Stickstoff) über die Oberfläche einzudiffundieren. Das Rezept dazu war, das Fe (d.h. meist gleich
das ganze Schwert) lange bei hoher Temperatur in einem Holzkohlenfeuer zu rösten, zu "tempern". Die alten
Schmiede hatten dabei keine Ahnung was wirklich passierte; sie dachten, daß sie das Eisen im heiligen Feuer "reinigten".
Diese Fehlmeinung geht, wie so viele andere, auf den aus Sicht der Materialwissenschaft etwas fragwürdigen Philosophen
Aristoteles
zurück. |
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Der erste Schritt zum Stahl ist damit getan: Es geht darum, den richtigen Kohlenstoffgehalt
einzustellen. |
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Aber das Ganze ist noch viel komplizierter (und in einem eigenen
Modul etwa detaillerter abgehandelt). Fe (mit ganz wenig Kohlenstoff) wandelt sich bei hoher Temperatur (genau
bei 723 0C) vom bcc - Gitter in ein fcc Gitter um. Die bcc - Phase heißt allgemein
Ferrit oder ferritisches Eisen, die fcc - Phase Austenit oder austenitisches Eisen.
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Kohlenstoff fühlt sich nun im Austenit viel wohler als im Ferrit, d.h. bei hoher Temperatur
kann sich relativ viel Kohlenstoff im (austenitischen) Fe lösen. Hat der Schmied lange genug geglüht oder
kohlenstoffreiches Ausgangsmaterial genommen, hat er möglicherweise einen relativ kohlenstoffreichen Austenit, zumindest
in den oberflächennahen Bereichen des Schwerts - die Frage ist, was jetzt beim Abkühlen passiert. |
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Kühlt das Fe g a n z l a n g s a m ab, wird sich der bcc -
Austenit hauptsächlich in den fcc - Ferrit umwandeln. Ist aber relativ viel C im Austenit, passiert etwas
anderes, es bildet sich zwar auch Ferrit, aber mit weniger Kohlenstoff als im (heißen) Austenit und gleichzeitig eine
neue Phase, eine Fe - C Verbindung mit dem Namen
Zementit und einem komplizierten Gitter. In einem Schliffbild sieht man die beiden Phasen
wie eine Schichtung von Platten nebeneinander liegen, das ganze Gebilde heißt Perlit (weil
es im Mikroskop ähnlich wie Perlen gänzt). |
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Perlit, die Mixtur aus Ferrit und Zementit ist aber kaum besser als Bronze - nicht ohne weiteres
zu gebrauchen. Die Phasenumwandlung vom Austenit zum Perlit muß verhindert werden, wenn man harten Stahl haben will.
Die Kohlenstoffatome dürfen nicht genug Zeit bekommen, um durch sich durch Diffusion in einem Gebiet anreichern zu
können, aus dem dann Zementit werden kann. Also muß schnell abgekühlt
werden. |
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Hier kommt - nach der Gewinnung des Schmiedeeisens aus der Eisenblume und dem Glühprozeß
zur "Aufkohlung", der nächste große Zauber der Schmiede zum Tragen: Das Abkühlen! Das heiße
Schwert wird für einige Zeit in eine Flüßigkeit gesteckt (nur einfallslose Schmiede nahmen einfach Wasser)
und dadurch "abgeschreckt", d.h. schnell abgekühlt. |
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Den Kohlenstoffatomen bleibt keine Zeit zur Umorganisation - es kann sich nur ein Ferrit bilden,
das relativ viel Kohlenstoff enthält und das dadurch eine stark gestörte Gitterstruktur aufweist; eine Art Mischung
aus fcc- und bcc - Gitter mit dem Namen Martensit und mit einer ca. fünffachen
"Stärke" im Vergleich zum Schmiedeeisen. |
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Vor allem die japanischen Schmiede haben diese Technik bis zur Perfektion entwickelt:; nachzulesen
im Link. |
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Dummerweise war dieses Martensit, so man es überhaupt erhielt, ziemlich spröde.
Die Eigenschaften wurden aber - mit Glück und vielleicht den richtigen magischen
Prozeduren und Sprüchen - viel besser, wenn man das Schwert jetzt nochmals heiß machte (allerdings nicht
so heiß wie beim Aufkohlungsprozeß), ein bißchen darauf herumhämmerte usw.. Dabei manipulierte man
ein zweite Defektsorte, die Versetzungen (siehe Kapitel
4); auf die wir aber in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen wollen. Wenn alles klappte, hatte man ein (selbstverständlich
dann magisches) Schwert aus Stahl! |
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Wenn man bedenkt, was alles schiefgehen konnte (und hier ist bei weitem nicht
alles aufgezählt, was auf die Qualität eines Schwertes noch Einfluß nehmen kann), ist es überaus erstaunlich,
daß die alten Schmiede überhaupt Stahlschwerter zustande brachten. Außerdem war nicht unbedingt das ganze
Schwert aus Stahl, sondern nur nur die äußere Schicht; soweit der Kohlenstoff eben eindiffundieren konnte. |
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Erfindungsreiche Schmiede nahmen deshalb dünne Folien, die erstmal alle einzeln behandelt
wurden, um dann - bei mindesten 800 0C - zusammengeschmiedet zu werden. Dazu mußten erstmal die
Werkzeuge - besonders wichtig waren Eisenzangen - entwickelt werden. Diese Technik hatte ihre Blüte in Toledo,
von wo aus vor allem die römische Truppen versorgt wurden. |
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Eine fünffach größer Festigkeit scheint nicht so besonders viel zu sein, aber
die Konsequenzen waren schon beachtlich. Die alten Gallier wurden auch deshalb von den Römern unterworfen (außer
dem bekannten kleinen Dorf natürlich), weil nach zeitgenössischen Berichten die alten Gallier ihre Schwerter nach
jedem besseren Schlag erstmal überm Knie wieder geradebiegen mußten, während die römischen Schwerter
"so stark waren, daß es keinen Helm gibt, der nicht von ihnen zerschlagen werden kann". |
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Eine andere Hochburg der Stahlherstellung war Damaskus mit den berühmten Damaszener Klingen. Diese beruhten auf einem aus Indien eingeführten Rohstahl (genannt "Wootz") mit sehr hohem Kohlenstoffanteil (1,5 % - 2 %) bestehend aus einer
Mixtur aus Zementit und Perlit. Der Herstellungsprozeß
einer Damaszenerklinge; ebenfalls eine zusammengehämmerte
(stimmt nicht!!) Mixtur aus aus diesem tendenziell sprödem Material und weichem
Schmiedeeisen, war schwierig und nicht ohne Besonderheiten. Wir sehen hier auch, daß das Wort "Stahl" ein
Sammelbegriff ist, der viele verschiedene eisenbasierte Legierungen und Gefüge umschreibt. |
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Aber nicht nur im Mittelmeerraum wurde die Eisen und Stahl Technologie entwickelt.
Besonders weit entwickelte Technologien hatten zum Beispiel die Chinesen, die viele der großen Entdeckungen des Englands
des 19. Jahrhunderte vorwegnahmen (aber nicht sehr viel damit machten) und die Inder. |
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Letztere konnte das Geheimnis ihres "Wootz" Stahls,
von dem die ganzen Meisterschmiede des Mittelmeerraumes abhingen, für viel hundert Jahre, wenn nicht gar 1000
Jahre geheimhalten (Man mische kleine Stücke von Schmiedeeisen mit Holzstücken und gewissen Blättern und
heize das ganze in einem Tontopf mit Tondeckel in einem sehr heißen Feurer (unter diversen magischen Sprüche,
versteht sich). Damit bekommt man vollständig mit Kohlenstoff durchsetzte Eisenstückchen, die man anschließend
wieder durch Hämmern bei hoher Temperatur zusammenschmiedet). |
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Nicht vergessen sollte man auch die Haya, ein
Volk das im heutigen Tansania lebte und ebenfalls die Eisentechnologie bis zu einem gewissen Grad beherrschte. Ihr Mythen
und Märchen enthielten viel Geschichten um das Eisenmachen, in einem Vokabular das stark angereichert war mit Ausdrücken
die sich aufs Menschenmachen bezogen. |
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Im Laufe der Jahrtausende wurde Eisen und Stahl trotz der vielen Schwierigkeiten allmählich
übliche Materialien, auch der Schmelzpunkt von Fe wurde bald erreicht, aber die Massenproduktion von Stahl mußte
noch bis zum 19. Jahrhundert warten. Mit der ganzen Kunst der Schmiede konnten nach wie vor nur "dünne"
Objekte wie Schwerter und Dolche, in die man genügend Kohlenstoff hineinbrachte, hergestellt werden . |
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Auch die Holzkohle wurde ab dem 17. Jahrhundert allmählich durch Kohle ersetzt,
aber auch das war nicht ohne unangenehme Überraschungen. Eisen, das mit Steinkohle statt Holzkohle erschmolzen wurde,
war ungeheure spröde und zu nichts nutze. Wie wir heute wissen, reichen geringste Mengen Schwefel Atome im Fe
- Gitter (sie setzen sich in die Korngrenzen) um das Metall völlig zu verspröden, und Schwefel, wie auch andere
Verunreinigungen, ist in Steinkohle reichlich enthalten. |
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Die Lösung dieses Problem kam ausnahmsweise nicht vom Militär, sondern vom Bier. Auch die Bierbrauer hatten versucht, Kohle statt Holz als Heizmaterial zu verwenden um das Malz zu
dörren, und erhielten ein stinkiges übelschmeckendes Gesöff. So wurde Koks erfunden: man röste die Kohle
unter Sauerstoffausschluß; das treibt die stinkigen Teile aus; was bleibt ist reiner sauberer Kohlenstoff - eben Koks
- der nicht nur fürs Bierbrauen sondern auch für die Eisenverhüttung brauchbar war. |
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Mit Beginn der industriellen Revolution wurde ein fehlender großtechnischer
Prozeß zur Herstellung großer Volumina von Stahl zur Fortschrittsbremse. Die paradigmatische Eisenbahn braucht Gleise; mit normalem Schmiede- oder Gußeisen mußte man die
Schienen alle drei bis 6 Monate auswechseln weil sie sich unter der Beanspruchung verformten. Unfälle waren
häufig und oft katastrophal. |
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Zwar hatte man längst gelernt, große Mengen von Eisen zu schmelzen
- mit massiver Zufuhr von Luft durch Blasebälge, die auch durch Dampfmaschinen angetrieben wurden.1850 lag allein
die (führende) englische Produktion an Eisen bei immerhin 2,5 Millionen Tonnen im Jahr, aber Stahl war immer
noch nur in relativ kleinen Mengen (im % Bereich des Eisens), mit wechselnder Qualität und mit hohen Kosten
erhältlich. |
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Immerhin wußte man seit 1786, daß Stahl etwas mit dem Kohlenstoffgehalt
des Eisens zu tun hatte (die ersten, die diesen Verdacht äußerten, waren die Herren Vandemonte, Berthollet und Monge aus Frankreich. |
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Aber alle Versuche, Eisen gleich mit dem richtigen Kohlenstoffgehalt (und, wie
wir wissen, dem richtigen Gefüge) herzustellen, waren vergeblich. Mal klappte es, mal klappte es nicht; einen verläßlichen
großtechnischen Prozeß gab es nicht. Und damit auch keine großen Brücken, Wolkenkratzer, Autos, "richtige"
Eisenbahnen, effiziente Antriebsmaschinen und Energieumwandler - man macht sich selten klar, wie stark Stahl die Welt verändert
hat! |
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Wie so oft, war es die Rüstungsindustrie, die den Durchbruch brachte. Es
war zunehmend lästig, daß die Kanonen oft selbst explodierten, es mußte etwas getan werden. |
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Henry Bessemer,
der auf der Suche nach besseren Kanionen war (er hatte gerade den Drall für Munition in Granatenform erfunden; nur
leider hielten die gußeiserenen Kanonen dem zusätzlichen Druck nicht stand), hatte auf der Suche nach besseren
Kanonen und damit nach großen Mengen billigen Stahls 1855 als erster (so glaubte man) die Idee, durch das geschmolzene
kohlenstoffreiche Roheisen Luft, oder noch besser, Sauerstoff in großen Mengen durchzublasen (was, nebenbei bemerkt,
ohne Dampfmaschinen nicht möglich wäre). Damit bildet sich CO, das abbrennt und nebenbei die Temperatur
hochhält. Wenn man rechtzeitig aufhört, kann man den Kohlenstoffgehalt von großen Mengen Eisen jetzt in
einem schnellen Prozeß auf den richtigen Wert einstellen und erstmals große Volumenmengen an Stahl produzieren. |
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Der Trick war also, nicht wie bisher kohlenstoffarmem Schmiedeeisen mühsam
etwas Kohlenstoff einzudiffundieren, sondern aus kohlenstoffreichem Gußeisen den Kohlenstoff bis auf einen nützlichen
und genau definierten Rest zu entfernen (wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, sah der Experte an der Farbe der Flanmen
die aus der Bessemerbirne herausschossen). |
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Herr Bessemer, der auch schon als Erfinder des "Blei"stiftes
(der in Wahrheit Graphit enthält) kein Unbekannter war, wurde über Nacht berühmt, und innerhalb eines Monats
schwer reich - alle wollten sein Rezept übernehmen. Aber so leicht sind atomare Fehlstellen dann doch nicht zu überlisten.
Die großtechnische Umsetzung des "Bessemerprozesses" führte zu
einer der großen Überraschungen ("Denn sie wissen nicht, was sie tun")
in der Produktion: Der Bessemer Stahl aus der Großproduktion war, im Gegensatz zu den Ergebnissen der "Laborversuche",
spröde und zu nichts zu gebrauchen. Für Bessemer war es "wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel"; der
Absturz vom Erfinderolymp in die Verzweiflung war jäh und hart. |
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Aber Bessemer war ein guter Materialwissenschaftler; er biß die Zähne
zusammen, arbeitete Tag und Nacht und gewann. Was war passiert? |
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Bessemer hatte für seine Versuche schwedisches
Eisenerz verwendet; seine Landsleute verwendeten einheimisches - und englisches Eisenerz
enthielt Phosphor. Phospor wird im Bessemerprozeß so wie er gemacht wurde nicht
beseitigt; wiederum reichen kleine Menge dieser atomaren Fehlstelle, um Fe oder Stahl spröde zu machen. Wie
wir heute wissen, setzen sich die P - Atom gerne in die Korngrenzen des Stahls und verändern dort die lokalen
Eigenschaften ins Negative. |
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Der Phosphor mußte raus - aber wie? Es waren die Vettern Sydney Gilchrist Thomas und Percy Carlyle Gilchrist, die den Weg wiesen: man nehme (auch) Kalkstein zur Ausmauerung der "Bessemerbirne"
und gebe ein bißchen auch direkt in die Schmelze, und der Phosphor bleibt in der Schlacke oder der Ummantelung.
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Bessemers Auskleidung seiner "Bessemerbirne" nutze "saure" Silikate; das
funktioniert dann nicht. Natürlich wäre auch niemand auf die Idee gekommne, dass eine simple Sache wie die keramische
Auskleidung eines überdimensionierten "Kochtopfs" sozusagen über Leben und Tod entscheidet. |
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Ein anderes Probem mit dem Bessemerprozeß war, daß gelegentlich Sauerstoff zurückblieb
und im Stahl Gasblasen formte, die das Produkt wiederum unbrauchbar machten. Ein Herr Mushet,
ein anderer Engländer, hatte dafür die rettende Idee: Man füge der Schmelze etwas Spiegeleisen zu - ein Konglomerat
das Fe, Mn und C enthielt - und man bekommt besten Stahl, denn das Mn reagiert mit dem Überschußsauerstoff
zu Manganoxiden, die in der Schlacke verbleiben. Außerdem neutralisiert es den sehr schädlichen Schwefel. |
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Wie so oft, ging aber sein Beitrag aber in der Aufbruchsstimmung des 19. Jahrhunderts
unter; der Name Bessemer wird wohl weiterhin mit der großindustriellen Herstellung von Stahl assoziiert bleiben. Auch
Herr Kelly aus den USA, der eigentlich knapp 10 Jahre
vor Bessemer das "Bessemer" Verfahren entdeckte, wurde in den Patentstreitigkeiten zwar mit Geld fürstlich
abgespeist, ist aber als Materialwissenschaftler vergessen. |
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Nach Bessemer ging es Schlag auf Schlag: Siemens
in Deutschland und Martin in Frankreich entwickelten das "Siemens-Martin-Verfahren
usw., die Weltproduktion an Stahl schnellte exponentiell in die Höhe: 22 kto in 1867, 1 Mto in
1880 und 9 Mto in 1900 und >500 Mto heute. Noch in den 70er Jahren unseres Jahrhunderts
wurde allgemein unterstellt, daß die Wirtschaftsmacht, und damit auch die politische Macht eines Landes, sich praktisch
nur aus seiner Stahlproduktion/ und damit nach dem Grad der Beherrschung von atomaren Fehlstellen in Fe, bestimmt. |
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Man könnte jetzt das Gefühl haben, dies sei eigentlich Chemie und es
ginge um das Uranliegen der Chemie, besonders reine Stoffe herzustellen. Das ist zwar nicht gänzlich falsch; aber in
Wirklichkeit geht es ausschließlich um den Einfluß atomarer Fehlstellen
auf die Bildung verschiedener Phasen und auf die Erzeugungen und Bewegung anderer Defekt im Eisenkristall, den Versetzungen.
Mit Chemie hat das nichts zu tun. |
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Wer es genauer wissen möchte, vielleicht auch mehr über die Bedeutung
der Metalle für die Entwicklungen im Mittelmeerraum wissen möchte, liest nach, insbesondere bei S. Sass, I. Amato und R. Hummel |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)