Mythen der Schmiede

Wer kennt nicht einige Mythen aus Märchen und Heldensagen, die sich um die Schmiedekunst und Schmiede ranken. Nachfolgend einige besonders tolle Geschichten.
Damaszenerklingen waren sehr wertvoll; ihre Herstellung erfordert besondere Sorgfalt; auch und insbesondere bei den Temper- und Abschreckprozessen. Überliefert ist folgendes Rezept (frei übersetzt):
Dann stößt der Meisterschmied, nachdem er der Klinge durch Hämmern eine scharfe und gerade Schneide verliehen hat, das Schwert in ein Feuer von Zedernholzkohle, hinein und wieder heraus, während er das Gebet zu Baal rezitiert, bis der Stahl die rote Farbe der aufgehenden Sonne angenommen hat, so wie sie bei Sonnenaufgang über der Wüste gen Osten erscheint, um dann mit einer schnellen Bewegung den Stahl von der Spitze bis zum Haft sechsmal durch die fleischreichsten Teile des Rückens und der Oberschenkel eines Sklaven zu stoßen, bis die Farbe dem königlichen Purpur gleicht. Dann, falls das Schwert mit einem Streich und einem Schlag des rechten Armes des Meisters den Kopf des Sklavens ohne Scharte oder Riß vom Rumpf getrennt hat, und die Klinge um den Körper eines Mannes gebogen werden kann ohne sich zu verbiegen, mag das Schwert als perfekt gelten und dem Dienste des Gottes Baal geweiht werden.
(Übersetzt aus dem Buch von S. Sass).
Man kann spekulieren, daß diese Prozedur die Härtung der Schneide verbesserte (durch C- und N-Eintrag in die obersten Schichten), aber experimentellen Untersuchungen sind heute (glücklicherweise) enge Grenzen gesetzt.
     

Diese grausame Geschichte hat bei allen, die and der Geschichte von Eisen, Stahl und Schwertern interessiert sind, einige Aufregung verursacht. Sie wird immer wieder hervorgekramt und in allen möglichen Beiträgen verwendet. Deshalb mal ganz groß:
   

Die obige Geschichte ist frei erfunden und
auch technisch Blödsinn! Ich entschuldige
mich dafür, darauf hereingefallen zu sein.


Ich habe das erst jetzt (10. Feb. 2015) durch Glück und Zufall herausgefunden. Der Ursprung der Geschichte im Englischsprachigen Raum ist hier:
Abschrecken, Sklaven, Bloedsinn
Source: Internet. An er roten Markierung beginnt der obige (englische) Text .
Jeder Deutschsprachige weiß jetzt was passiert ist. Das Berliner Tageblatt hat sich vor 121 Jahren entweder einen kleinen (April?) Scherz erlaubt, oder eine kleine Satire gegen irgendwelche damaligen Sensationsarchäologen oder Schwertfanatiker geschrieben. Prof. von Eulenspiegel! Mehr braucht's eigentlich nicht.
Dass man auch per Text- und Technikanalyse zwinged zum Schluss kommt, dass das Ganze nicht stimmen kann, wird im "Iron, Steel and Swords" Hyperskcript im Detail erläutert.
  Zu dem was weiter unten folgt, könnte man auch noch einiges anmerken; im Wesentlichne ist es aber korrekt.
 
   
Wieland der Schmied, eine altgermanische Sagengestalt, stellte unübertroffene Schwerter her, die in Stärke und Schärfe nicht ihresgleichen hatten. Sein Geheimrezept (übernommen aus R. Hummels Buch) ging folgendermaßen:
Ein Stück Eisen wird mit einer Feile zu einem grobem Pulver zerraspelt und den Hühnern unters Futter gemischt. Aus der Hühnerscheiße wird es wieder extrahiert. Nach einigen Durchgängen durch die "Mastvögel" wurde daraus ein Schwert gescmiedet, das im kritischen Finale eines großen Schmiedewettkampfs überlegen siegte, indem es den Mitbewerber (der in voller Rüstung war) in zwei Hälften schnitt.
Der Link hat das im Original, d.h. in der Nachdichtung von Karl Simrock
Bei Uhland wird daraus: "zur Rechten sieht man wie zur Linken, einen halben Türken heruntersinken".
Das Rezept funktioniert übrigens; 1930 hat es ein deutscher Metallurge ausprobiert (allerdings mit Labormessungen): Die Hühnerverdauung ersetzte Überschußkohlenstoff durch Stickstoff, im Gesamteffekt wird daraus etwas stahlähnliches.
In einem Alchemistenbuch aus Nürnberg von 1532 ("Von Stahel und Eysen") sind einige hübsche Rezepte zur Qualitätsverbesserung von Schwertern angeführt. Zum Beispiel zum Härten:
Nimm Stengel und Blätter von Verbenen, zerstoße sie, und drücke den Saft durch ein Tuch. Gib eine gleichgroße Menge von Männerpisse dazu, und etwas von dem Saft den man aus Käfermaden gewinnt. Laß das Eisen nicht zu heiß werden sondern halte Maß. Laß es abkühlen, bis es goldene Flecken zeigt, dann kühle es zur Gänze in dem Gebräu. Wenn es sehr blau wird, ist es noch zu weich.
Einfacher geht's wie folgt:
Nimm geklärten Honig, frische Pisse vom Ziegenbock, Alaun, Borax und Salz; mische es gut und schrecke das Schwert darin ab.
Urin funktioniert wirklich bis zu einem gewissen Grad: der darin enhaltene Harnstoff (HNCONH2) kann tatsächlich zu einer heute verstandenen "Stickstoffhärtung" führen.
Bessere Rezepte zum Abschrecken erforderten einen etwas größeren Aufwand beim Sammeln der Zutaten:
Nimm Harzöl, Drachenblut, Hornspäne, die halbe Menge Salz, Saft vom Erdwurm, Rettichsaft, Talg und Verbenen und kühle das heiße Schwert in dieser Mixtur. Diese Härtung wirkt besser, wenn das Werkstück zuerst gründlich gereinigt und poliert wird.
Das Blöde war nur, daß man zum Drachenblut sammeln schon ein ziemlich gutes Schwert brauchte!
Tat man beim Härten zuviel des Guten, gab es auch das Rezept zum Enthärten:
Laß Menschenblut gut abstehen, bis sich oben Wasser bildet. Schöpfe dieses Wasser ab und behalte es. Dann erhitze die harten Stücke und bestreiche sie mit einer Feder, die in dieses Wasser getaucht wurde. Die Stücke werden das Wasser verschlingen und weich werden.
 
Wir sehen: Auch damals hatten die wiss. Mitarbeiter nicht immer ein leichtes Leben; z.B. beim Drachenblut sammeln oder wenn der Meister mal gerade kein Menschenblut zur Hand hatte, und der Kunde unbedingt ganz schnell sein Schwert etwas aufgeweicht haben mußte! Der Personalrat war nämlich noch nicht erfunden.
Wie man Eisen wirklich "hart" oder "weich" macht, ist im Modul "Stahl" behandelt.
 

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)