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Wie schon mehrmals betont, brechen
reale spröde Materialien bei kleineren Spannungen als aus den
Bindungskräften ausgerechnet. |
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Das ist einerseits unschön, andererseits ein Hinweis darauf, daß das
Gefüge, also Abweichungen vom idealem (kristallinem) Aufbau, hier mitspielen. |
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Bruchexperimente mit einem gegebenem Material, aber verschiedenem Gefüge, werden in der
Regel auch verschiedene Bruchparameter ergeben - wie z.B die Bruchspannung und -Dehnung, oder die Zähigkeit
GC. |
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Leider ist der Bruch nicht so "einfach", daß nur
das Gefüge eines Materials eingeht. |
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Das läßt sich am besten dadurch demonstrieren, daß wir einen
langen Stab eines spröden Materials mit irgendeinem, aber homogenem Gefüge einem Bruchtest unterwerfen.
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Bei irgendeiner Spannung s1
wird das Material in zwei Teilstücke zerbrechen. Wir wiederholen den Test jetzt
mit den beiden Teilstücken; sie brechen bei der Spannung s2,1 und s2,2 in vier Teilstücke. |
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Und so weiter. Wir erhalten eine ganze Serie von si, j
Werten, und wir werden tendenziell immer finden, daß
si, j > si - 1, j - nur der Index
i ist wichtig. |
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In anderen Worten: Je kleiner die Bruchstücke, desto bruchfester sind sie. |
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Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß der Bruch durch die Verteilung von spezifischen Defekten bedingt ist. |
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Eine mögliche Erklärung dafür wäre: Der erste Bruch entsteht am "größten"
Defekt mit der größten Leichtigkeit, die weiteren Brüche werden an den zweitgrößten, drittgrößten
usw. Defekten induziert - es wird immer schwerer. Das ist im Kern die richtige Interpretation. |
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Die einfachste Behandlung der Bruchmechanik
startet nicht mit Spannungen und Dehnungen, sondern betrachtet Energien. Wir vergleichen
im wesentlichen die gesamte Energie (oder besser freie Enthalpie) die im gebrochenen Körper steckt mit der Energie im verspannten Zustand.
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Zunächst betrachten wir jedoch die theoretische Bruchfestigkeit
indem wir die Arbeit bis zum Bruch aus den Bindungspotentialen berechnen. |
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In Kapitel 2.4.3 haben wir bereits
die Spannungen und Dehnungen bis zum Bruch berechnet. Das Ergebnis
war jedoch unhandlich und nicht geeignet um reale Materialen zu beurteilen. |
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Schauen wir uns zunächst noch mal den prinzipiellen Verlauf von Bindungspotential
und den zugehörigen Kräften bzw. Spannungen an. |
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Die rückstellende Kraft aus dem Bindungspotential U(r) ist –dU/dr.
Wir müssen Arbeit gegen diese Kraft leisten, d.h. mit der Kraft +dU/dr die Distanz von r0
bis ¥ überwinden. |
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Die dabei zu leistende Arbeit ist dann genau die hellgrüne Fläche unter der dU/dr
Kurve. |
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Wir könnten nun natürlich die allgemeine
Potentialformel benutzen und aufintegrieren; das Ergebnis wird aber kaum nützlicher sein können als die alte Formel für die maximale Bruchspannung. Wir
wählen einen anderen Weg: |
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Zunächst machen wir eine mathematische
Näherung für den relevanten Teil der Kraftkurve - wir ersetzen den genauen Verlauf durch eine Sinus-Halbwelle.
Die Amplitude der zu wählenden Sinuskurve ist dann als smax zu wählen,
die Wellenlänge l wäre l = 4(rf
– r0) oder, mit der Größe rm wie im Bild definiert,
l = 2rm. Wir schreiben
also (gleich für s statt der Kraft F) |
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s = smax · sin |
2p l |
· (r – r0) |
= smax · sin |
p(r – r0)
rm |
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Die zu leistende Arbeit bis zum Bruch pro Flächeneinheit (= r20)
ist damit in der Sinus-Näherung (mit r – r0 als Variable): |
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Pbruch = |
r0 + rm
ó õ r0 |
s · dr |
» |
smax · |
r0 + rm
ó õ r0 |
sin |
p(r - r0)
rm | d(r -r0) |
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Als unmittelbares Ergebnis erhalten wir |
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Nett und einfach, aber wir brauchen noch smax
und rm als Funktionen sinnvoller Materialparameter (die Exponenten
n und m aus der Potentialformel
sind z.B nicht sinnvoll). |
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Dazu überlegen wir uns: Wo bleibt die geleistete Arbeit?
Sie kann nicht spurlos verschwinden, sondern muß noch im System stecken. Da ein Bruch nicht zur Erwärmung der
Probe führt, wird sie nicht (oder nur zu einem vernachlässigbarem Teil) in Gitterschwingungen, d.h. in Wärme
umgesetzt. |
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Was hat sich also geändert? Antwort: Wir haben neue
Oberfläche geschaffen. Und jede Oberfläche hat eine Oberflächenenergie
g. Ein Großteil der geleisteten Brucharbeit wird also benötigt, um diese, im
gebrochenen System zusätzlich auftretende Oberflächenenergie zu schaffen. |
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Da wir zwei neue Oberflächen produzieren setzen wir jetzt einfach
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Beide Terme sind Energien pro Flächeneinheit; eingesetzt erhalten wir für rm |
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Damit haben wir rm; wir brauchen aber immer noch einen
sinnvolles Maß für smax; eine Größe, die aus der Ableitung
der Potentialkurve resultiert. |
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Dazu erinnern wir uns, daß die Steigung
der Potentialkurve etwas mit dem E-Modul zu tun hatte. Wir haben also etwas verkappte zusätzliche Information
über den Verlauf unser Sinus-Näherung, die wir einbringen können. |
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Das ist nicht besonders schwierig, aber auch nicht direkt einsichtig. Der vielleicht einfachste
Rechenweg führt über die Betrachtung unserer Sinus-Näherung an der Stelle r0. |
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Um r0 können wir den Sinus durch sein Argument nähern, d.h.
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sin |
p(r – r0)
rm | » |
p(r - r0)
rm | = |
p · r0
rm | · |
r – r0 r0 |
= | p · r0
rm | · e |
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In dieser Näherung erhalten wir für die Spannung s
bei r0 und daraus dann für smax |
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s(r = r0) |
» |
smax · p · e · (r0/rm) |
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smax |
» |
s(r = r0)
e | · |
rm p · r0
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Der erste Term - s/e
- ist aber schlicht der Elastizitätsmodul
E - damit haben wir das Ziel erreicht. Wir müssen nur noch rm aus obiger Formel einsetzen und erhalten |
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smax » |
E · p · g
p · r0 · smax |
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Das Endergebnis ist damit |
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smax » |
æ ç è |
E · g r0 |
ö ÷ ø |
1/2 |
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Das ist eine brauchbare Formel! In Worten sagt sie: |
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Die maximale Spannung, die ein Material aushält bevor
es bricht, ist proportional zu der Wurzel aus seinem Elastizitätsmodul und seiner
Oberflächenenergie. |
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Damit kann man arbeiten; wir erhalten zum Beispiel folgende Werte für einige Materialen |
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Material | smax [GPa] |
C (Diamant) | 205 {111} | C (Graphit) | 1,4 {100} |
Si | 32 {110} | SiO2 ("Glas") |
16 {amorph} | Angeben sind die kleinsten Werte für die jeweilige krist. Ebene
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Da die Oberflächenenergie stark anisotrop ist, wird auch smax
anisotrop sein. Diamanten (und Si, und fast alle Einkristalle) kann man auch immer in einer
Ebenen besonders gut spalten, d.h. dort brechen sie am leichtesten.
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Was sagt das Experiment? Jetzt, wo wir leicht
Vorhersagen machen können, lohnt sich die Überprüfung. |
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Das Experiment sagt: Die meisten Materialien brechen bei
viel kleineren Spannungen als smax . Glas,
z.B. liegt eher bei ca. 0,1 GPa als bei den theoretischen 16 GPa. Außerdem findet man im Experiment
oft stark schwankende Werte, auch für nominell identische Proben. |
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Woran liegt das? Nun ja, wie schon erwähnt (und wie
fast immer): An Defekten, und zwar an einer speziellen Sorte, die wir als "Mikrorisse"
bezeichnen. Wir sind Mikrorissen schon mal kurz begegnet,
haben sie aber nicht ausführlich behandelt. |
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Den Zusammenhang zwischen Mikrorissen und der Bruchfestigkeit schauen wir uns im nächsten
Kapitel etwas genauer an. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)