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Wir betrachten jetzt mal einen "echten" und damit immer
asymmetrischen Potentialtopf, z.B. von einem Kr- Kristall. |
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Ein beliebig herausgegriffenes Atom schwingt zwischen den eingezeichneten Extrempositionen
hin und her; bei höheren Temperaturen, kann es höher den Potentialtopf hinauflaufen (z.B. bis zu den orangen Kreisen) |
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In einem asymmetrischen Potentialtopf wie in dem Bild (es handelt sich um das sehr schwache
Bindungspotential eines Kr Kristalls, wird das Atom länger rechts
von der Mitte als links von der Mitte sein; der mittlere Atomabstand als Funktion der
Schwingungsamplitude wird auf der roten Linie liegen |
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Wie berechnet man daraus den (linearen) thermischen
Ausdehnungskoeffizienten
a? Zunächst brauchen wir eine Definition: |
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Der (lineare) thermischen Ausdehnungskoeffizienten ist definiert als
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a = |
l (T) – l0
l0 · T |
= |
etherm
T |
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In Worten: a = thermische Dehnung
etherm pro Grad Kelvin; die Dimension von a
ist K–1 |
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Wenn wir die Amplitude der Schwingung und die beiden Extremalpositionen berechnen
wollen, müssen wir die folgende Gleichung lösen. |
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U = 3/2kT = – |
A
rexn | + |
B
rexm |
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Denn die Energie an einer der durch farbige Kreise markierten Extremalpositionen rex
ist gleich der mittleren thermischen Energie und die ist
½ kT pro Freiheitsgrad; also 3/2 kT für die drei Freiheitsgrade der Schwingungen in
den drei Koordinatenrichtungen. |
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Das ist jetzt zwar im Grunde nur noch "triviale" Mathematik - eine Gleichung mit
einer Unbekannten - aber leider gibt es keine allgemeinen Lösungen für Gleichungen n-ten oder m-ten
Grades mit m oder n > 4. |
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Das war's also - für exakte allgemeine
Lösungen. Entweder löst man numerisch, oder man muß für gegebene m, n versuchen
eine Lösung zu finden. |
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Was bleibt sind Näherungslösungen. Wir werden, auf einem recht trickreichen Weg,
jetzt eine sehr einfache solche Näherungslösung vornehmen. |
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Zunächst machen wir eine mathematische
Näherung und beschreiben die Potentialformel durch eine Potenzreihenentwicklung
(Taylor Reihe) um das Minimum, d.h. für r = r0. Wir erhalten: |
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U | = |
U0 + 1/2U0'' · x2 + 1/6U0''' ·
x3 + .... |
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Mit U0'' = d2U/dr2
= zweite Ableitung nach r; U0'' =dritte Ableitung nach r.
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Die Reihenentwicklung verschiebt den Nullpunkt auf das Potentialminimum,
oder, in anderen Worten, wir haben x = r – r0. |
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Die erste Ableitung ist im Potentialminimum = 0, höhere
Ableitungen als die dritte vernachlässigen wir. Die dritte Ableitung aber ist essentiell:
Sie enthält die Asymmetrie des Potentials, die ja erst für die thermische
Ausdehnung sorgt. |
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Die erste Ableitung sollte im Rahmen einer Übungsaufgabe
ausgerechnet werden, sie ist (siehe Lösung) |
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dU dr |
= |
U' = n · A · r(n +
1) – m · B · r(m + 1)
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Auch die zweite Ableitung ist in der Lösung der Aufgabe
2.4-1 enthalten, wir haben (etwas umgeschrieben) |
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d2U dr 2 |
= U'' = |
– n · (n + 1) r
2 | · A · r
n |
+ |
m · (m + 1) r 2 |
· B · r
m |
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Wir brauchen U'' nur im Potentialminimum; setzen
wir also r = r0 und berücksichtigen daß U'(r0)
= 0; wir erhielten |
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Die dritte Ableitung ist damit . |
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d3U dr 3 |
= U''' = |
– n · (n + 1) · (n + 2)
r 3 | · A · r
n | + |
m · (m + 1) · (m + 2) r
3 | · B · r
m |
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Oder, wieder für r = r0, |
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U'''(r0) |
= – U0 · |
n · m · (n + m + 3)
r0 3 |
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Damit lautet die Näherungsformel für das Bindungspotential in der Nähe
des Potentialminimums |
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U(r0+x) = U0 · |
æ ç è |
1 + |
n · m · x2 |
– |
n · m · (n + m + 3) · x3
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ö ÷ ø |
2 · r02 |
6 · r03 |
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Für die Amplitude eines Atoms das in diesem Potential schwingt betrachten
wir den Wert der Funktion bei der Energie U0 + (3/2) kT, wir haben also eine implizite Gleichung
für die (jeweils halbe) Amplitude x |
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(3/2) kT = |
æ ç è |
n · m · x2 |
– |
n · m · (n + m + 3) · x3
|
ö ÷ ø |
2 ·r02 |
6 ·r03 |
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Wir haben jetzt eine Gleichung dritten Grades
für die Extremwerte von x für eine gegebene thermische Energie; und diese Gleichung können
wir im Prinzip lösen. |
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Was herauskommt wird aber ziemlich länglich sein. Also gehen wir anders vor: Wir betrachten
die beiden relevanten x-Werte als eine kleine Korrektur der Werte ±
x(T) die wir für ein schlichtes parabelförmiges Potential
bekommen würden (die dann natürlich keine thermische Ausdehnung enthalten): |
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(3/2) kT = |
æ ç è |
n · m · x2 |
ö ÷ ø |
2 ·r02 |
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Die Lösungen der quadratischen Gleichung können wir sofort hinschreiben; wir haben
x1,2 = Amplitude nach links; rechts = ±{3k·T·r02/n·m}½
= {3kT/U''}½ = ± x0. Die beiden letzten Terme sind nur Umschreibungen
um im folgenden Schreibarbeit zu sparen. | |
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Wir machen damit jezt folgenden Ansatz für die Lösung der kubischen
Geichung: |
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Amplitude nach links = –x0 + x,
Amplitude nach rechts = +x0 + x. |
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Was das genau bedeutet ist in der Zeichnung dargestellt (die im übrigen klarmacht,
daß die Beschreibung mit einer Kurve dritter Ordnung einer leicht gekippten Parabel entspricht). |
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Einsetzen in die Gleichung dritten Grades und ausmultiplizieren gibt eine Bestimmungsgleichung
dritten Grades für x; und x ist natürlich
genau die Abweichung von der Gleichgewichtsposition: |
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Damit hätte man das Problem innerhalb der mathematischen Näherung mit
einer Taylor Entwicklung exakt gelöst - aber noch nichts gewonnen; wir haben immer
noch eine Gleichung dritten Grades. Wir können jetzt aber berücksichtigen, daß die thermische Ausdehnung
generell ein kleiner Effekt ist, und das heißt, daß sowohl x
klein ist gegenüber x0, als auch daß |U'''| klein ist gegenüber |U''|.
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Wir machen jetzt eine physikalische Näherung
und vernachlässigen einfach alle mindest "quadratisch kleinen" Terme, also alle x2,
x3 und - wir sind radikal - alle Produkte zwischen x
und U'''. |
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Damit bekommen wir (aus schreibtechnischen Gründen wieder mit den Ableitungen
ausgedrückt) |
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(3/2) kT | = |
(1/2) ·U0'' · (x0 + x)2
+ 1/6U0''' · (x0 + x)3 |
| = |
(1/2) · U0'' · {x02 + 2
·x0 · x} + 1/6U0''' · {x03} |
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Setzen wir den Wert für x02 ein, heben
sich die beiden ersten Terme auf; ein x0 kürzt sich heraus, und es bleibt |
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0 | = |
x · U0'' + |
3kT · U0''' 6U'' |
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Damit ergibt sich für x: |
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Wir brauchen nur noch die Werte für die Ableitungen von
oben einsetzen, uns daran erinnern, daß für den thermischen Ausdehnungskoeffizient a
gilt: |
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Damit erhalten wir die Endformel |
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a = – |
kT · U0''' |
= – |
{–U0 · [n · m · (n + m +
3)/r03]} · kT |
2(U'')2 · r0 · T |
2r0 · T · {U0 · (n ·
m/r02)}2 |
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Das meiste kürzt sich heraus; was bleibt ist sehr einfach |
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a = |
(n + m + 3)k 2 · n · m · U0 |
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Kleinere Erschöpfungszustände an dieser Stelle sind normal - immerhin
zeigt sich, daß all die Zeit, die man im Gymnasium mit Bruchrechnen, Gleichungen lösen und Polynome ableiten
verbracht hat, zu etwas gut war. Aber wir sind noch nicht fertig. |
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Wir sehen, daß a
umgekehrt proportional zur Bindungsenergie U0 ist. Wir wissen
aber, daß der Schmelzpunkt
Tm ungefähr proportional zu U0 ist - in der einfachsten
Näherung, die wir für die Faustformel des E-Moduls verwendet haben, setzten wir U0
= kTm. |
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Eingesetzt in die Formel für a ergibt sich
dann ein direkter Zusammenhang zwischen dem Schmelzpunkt
und dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten:
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a = |
n + m + 3 |
= const. · |
1 |
2 · n · m · Tm |
Tm |
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Das ist eine Beziehung, die man leicht überprüfen kann. Die Graphik
(aus dem "Hornbogen") zeigt das Ergebnis |
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Für praktisch alle Metalle ergibt sich eine hervorragende Übereinstimmung
- die Werte liegen fast alle sehr gut auf der erwarteten Hyperbel, bei einem Schmelzpunktintervall von mehr als 3 000
K! |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)