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Beim oberen Bild ist intuitiv klar, daß die Emission von Leerstellen aus
Gebieten mit geringer Dichte der Atome sehr einfach ist; sehr viel einfacher jedenfalls als aus normal dichten Gebieten. |
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Die eingezeichnete Atome, die im Begriff sind, in die Korngrenze zu springen,
müssen sicher eine nur kleine Energiebarriere überwinden. |
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Aber auch die Umkehraussage gilt: Leerstellen werden bevorzugt in Gebieten mit hoher Dichte
absorbiert, in dem der Kristall also unter kompressiver Spannung steht. |
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Im Kristall ohne äußere Spannung müssen sich Gebiete mit kompressiver
und tensiler Spannung (große und kleine Dichte) gerade aufheben; der Kristall ist ja nach außen spannungsfrei.
Emission und Absorption halten sich die Waage; es herrscht ein dynamisches Gleichgewicht bei dem die Leerstellenkonzentration
im Mittel gerade gleich der Gleichgewichtskonzentration ist. |
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Hier scheint ein Geheimnis zu walten: Woher wissen
die Korngrenzen (und die anderen möglichen Leerstellenquellen und -Senken), wieviel Leerstellen jeweils für das
Gleichgewicht gebraucht werden? |
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Das ist in der Tat eine nichttriviale Frage. Bei der Erzeugung und Vernichtung reden wir über
den Weg ins Gleichgewicht, die Kinetik.
Bis sich ein Gleichgewicht einstellt, kann es kurz oder lange dauern; die Gleichgewichtskonzentration gibt darüber
keine Auskunft. Solange aber ein Nichtgleichgewicht herrscht, wird nach den thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten
eine erhöhte freie Enthalpie vorliegen mit der Tendenz zum Abbau, zum Übergang auf einen kleineren Wert. |
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Man kann sich das am besten verdeutlichen, wenn man sich vorstellt, daß tatsächlich
Gleichgewicht vorherrscht. Dies bedeutet, daß im Mittel gleich viel Leerstellen absorbiert wie emittiert werden. Über
die Raten ist nichts gesagt - es ist so ähnlich wiie beim Girokonto, wo sich der
Kontostand im Mittel auch nicht ändert wenn im Mittel gleich viel eingezahlt wie abgehoben wird - unabhängig von den involvierten Summen.
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Stellen wir uns nun eine wie immer geartete Störung vor - z.B. daß plötzlich
mehr Leerstellen da sind. Dann werden mehr Leerstellen pro Zeiteinheit auf die Korngrenzen
treffen als vorher und damit auch mehr absorbiert. Es werden aber nicht mehr Leerstllen generiert - nach einiger Zeit herrscht
aber wieder Gleichgewicht, weil der Überschuß verschwunden ist. |
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Sind plötzlich weniger da, wird nicht
die Emissionrate steigen - die Korngrenze ändert ihr Verhalten nicht - sondern es werden weniger
absorbiert, damit überwiegt die Emission und es baut sich die Gleichgewichtskonzentration wieder auf. |
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Das ist viel weniger künstlcih als es sich liest - solche Störungen sind leicht
von "außen" machbar. Eine nahezu indentische Betrachtung, aber nicht für Leerstellen (und im Prinzip
Zwischengitteratome), sondern für Elektronen (und sog. "Löcher") ist das "Herzstück"
der Halbleiterelektronik. |
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Wenn es also ein Gleichgewicht gibt, wird es sich früher
oder später auch einstellen. |
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Wenn wir eine äußere mechanische Spannung anlegen, stören wir
also nicht die Gleichgewichtskonzentration, sondern nur die Verteilung
von emittierenden und absorbierenden Bereichen der Korngrenzen. |
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Damit wird klar, daß mit diesem Mechanismus die Körner in Zugrichtung wachsen können, und
daß wir wieder eine Temperaturabhängigkeit erwarten, die mit dem Boltzmannfaktor aus der Summe der Bildungs- und Wanderungsenergie
der Leerstellen beschrieben werden kann. |
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Man nennt diesen Prozeß auch Nabarro-Herring-Kriechen |
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Wir erhalten damit folgendes schematisches Bild des Korngrenzenkriechens. |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)