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Schauen wir uns den Zugversuch etwas genauer an. Wir haben ihn schon zweimal bemüht
- in Kapitel 2 und hier in Kapitel
7. |
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Beim Anlegen einer einachsigen Spannung an
unsere zylindrische Probe wurde diese länger (für Zugspannungen) oder kürzer (für Druckspannungen).
Im elastischen Bereich reicht der Elastizitätsmodul
E = ds/de vollständig zur Beschreibung der Längenänderung. |
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Da für "normale" Materialien immer E
» const. gilt, folgt als "Materialgesetz"
für die Dehnung in Zug- oder Druckrichtung : |
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Dieses Materialgesetz hat einige wichtige Eigenschaften, die implizit enthalten
bzw. vorausgesetzt sind, und die hier aufgelistet werden sollen. |
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1.
Es gilt für isotrope Materialien. Egal, in welche Richtung ich
ziehe, ich erhalte immer dieselbe Verformung. |
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2. Es folgt direkt aus den Bindungspotentialen.
Als Näherungsformel für E hatten wir erhalten:
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n, m, r0 und U0
waren die 4 Parameter, die ein Bindungspotential
beschreiben. |
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3. Bei der elastischen Verformung werden Bindungsabstände
geändert (die Ausnahme Gummi, früher schon
erwähnt, wird uns noch ausführlich beschäftigen). |
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4. Die Verformung ist vollständig reversibel
- mit zunehmender Spannung nimmt die Dehnung zu; wird die Spannung wieder heruntergefahren, geht die Dehnung zurück.
Bis auf Null - der Ausgangszustand vor dem Zugversuch
wird nach Ende des Versuchs wieder erreicht. |
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5. Das Systems "antwortet" instantan
mit der durch das Materialgesetz gegebenen Dehnung
e auf den "Input" (oder die "Störung") Spannung.
Es braucht nur ganz kurze Zeit (idealerweise gar keine), um auf geänderte Spannungen zu reagieren. Die beim Zugversuch
vorgegebene Verformungsgeschwindigkeit de/dt
spielt also keine Rolle - wir erhalten immer dieselbe Spannungs-Dehnungskurve. |
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6. Die Spannungs-Dehnungskurve ist eine Gerade
- zumindest ungefähr, da sonst E nicht konstant sein kann. Dies bedeutet, daß wir das Bindungspotential
hinreichend gut durch eine Parabel beschreiben können. |
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7. Die Temperaturabhängigkeit des E-Moduls ist durch die Temperaturabhängigkeit
der Bindungsverhältnisse beschrieben. In der früher
schon abgeleiteten Faustformel E
» 80 · kT/W tritt die Temperatur explizit auf.
Wir erwarten generell, daß die Materialien mit zunehmender Temperatur etwas "weicher" werden, d.h. daß
der E-Modul mit zunehmender Temperatur abnimmt. |
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Zahlenwerte für den E-Modul finden sich in den Links |
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Es steckt also eine ganze Menge in dem einfachen elastischen Materialgesetz e = s/E - aber es reicht trotzdem
nicht aus, um den einfachst möglichen Fall einer Verformung, der einachsigen elastischen Verformung,
zu beschreiben. |
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Denn unsere Probe wird nicht nur länger (oder, bei
Druck kürzer) werden, sondern auch dünner (oder dicker). |
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Das entspricht nicht nur der allgemeinen Erfahrung, sondern ergibt sich auch sofort falls
wir unterstellen, daß sich die Dichte des Materials nicht nennenswert ändern
kann, d.h. dass das Volumen konstant bleiben muss. |
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Dieses Phänomen heißt Querkontraktion;
wir beschreiben es zunächst rein formal. |
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Die Querkontraktion |
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Wir greifen ein Volumenelement aus einem unter einachsigem Zug stehenden Körper
heraus und betrachten seine komplette elastische Formänderung. |
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Aus dem Einheitswürfel mit der Seitenlänge l0 =
1 wird ein Quader. |
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In Zugrichtung hat der Quader die Länge lz = 1 + e1
und e1 ist durch den E-Modul bestimmt zu e1
= s/E. |
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Der Würfel wird aber auch dünner werden; die Grundfläche des Quaders ist jetzt
ein Quadrat mit der lateralen Seitenlänge |
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In dem (notgedrungen negativem) e2
steckt das ganze Phänomen der Querkontraktion. |
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Aus der Kenntnis des E-Moduls heraus können wir
keine Aussage über e2 machen. Hinter dieser "Querdehnung"
verbirgt sich also ein zweiter elastischer Modul, allgemein definiert als Querkontraktionszahl
n,
manchmal auch Poissonzahl genannt. |
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Damit haben wir |
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e2 = –
n · e1 = – n ·
| s E |
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Wie kommen wir zu Aussagen über n? Im Prinzip
steckt natürlich alles in den Bindungen, aber wir können uns das Leben sehr erleichtern indem wir einfach die
experimentelle Beobachtung verwenden, daß sich das Volumen eines verformten Körpers
nicht stark ändert. |
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Als Übungsaufgabe berechnen wir die Querkontraktionszahl für DV
= 0 |
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Nur die beiden linken Spannungszustände fallen unter die Rubrik "einachsiger Zug" bzw. "einachsiger Druck"
und sind damit mit E-Modul und Querkontraktionszahl n
vollständig beschreibbar. |
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Der Schraubenschlüssel dagegen verkörpert den Fall einer reinen Scherung. Am besten kann man sich das klarmachen, wenn man sich überlegt, was für Kräfte
auf die Flächen der Schraube wirken. |
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Der Fisch wiederum unterliegt einem allseitig gleichen
Druck, also einem speziellen (da hochsymmetrischen) dreiachsigem Spannungszustand. |
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Die zugehörigen Verformungen können nicht direkt mit E
und n beschrieben werden; wir müssen erstmal zusätzliche
elastische Moduln definieren. |
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Wie wir in Kürze sehen werden, müssen wir eigentlich
nicht - es ist aber sowohl zweckmäßig, als auch besser an die Historie anknüpfend, vor dem allgemeinsten
Fall einer beliebigen dreiachsigen Verformung noch die oben gezeigten Spezialfälle zu behandeln. |
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Dazu schauen wir uns an, wie sich ein Einheitswürfel
für reine Scherung und allseitigen Druck verformt. |
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Reine Scherung (nur auf einer Fläche gezeigt) verformt ein Quadrat
zu einem Rhombus durch eine Abscherung um g; allseitiger
Druck läßt die Gestalt unverändert, aber verkleinert das Volumen um DV
= V0 – V. |
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Die für reine Scherung und allseitigen Druck spezifischen
Formänderungen kann man mit Hilfe von Proportionalitätskonstanten mit den wirkenden Spannungen verknüpfen,
die allgemein verwendeten Beziehungen sind |
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G
heißt Schubmodul; engl "Shear modulus". K ist der Kompressionsmodul.
Die Definitionsgleichungen für diese elastische Moduln sind also |
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Damit haben wir jetzt 4 elastische Module definiert; wir könnten so
weiter machen für andere spezielle Fälle. Es drängt sich die Frage auf: |
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Wie viele elastische Moduln braucht man, um alle möglichen
Spannungs- und Verformungszustände zu beschreiben? |
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Die Antwort muß differenziert ausfallen: |
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Für homogene isotrope Materialien - ein Stück
polykristallines Metall oder amorphes Glas zum Beispiel - reichen zwei elastische Konstanten. |
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Für anisotrope Materialien - zum Beispiel einen triklinen Einkristall - brauchen wir maximal
21 elastische Koeffizienten. Begründen
werden wir das später. |
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Schauen wir uns den einfachen Fall des isotropen Materials an. Die wesentliche
Erkenntnis ist, daß jede Verformung durch eine geeignete Folge von einfachen Grundspannungszuständen
erreicht werden kann. |
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Der durch allseitigen Druck verursachte Verformungszustand kann zum Beispiel (im Gedankenexperiment)
alternativ auch erreicht werden, indem man den Körper zuerst
durch einachsigen Druck entlang der z-Achse verformt, dann zweitens und drittens entlang der x-
und y-Achse. |
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Das machen wir mal in einer Übungsaufgabe: |
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Die Erzeugung einer reinen Scherverformung durch mehrfach angewandten
einachsigen Zug oder Druck ist etwas komplizierter; es ist in einem eigenen
Modul dargestellt. Das Ergebnis ist |
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G = |
E 2(1 + n) |
» 0,4 E (für n » 0,3) |
K = |
E 3(1 – 2n) |
» 0,8 E (für
n » 0,3) |
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Im Prinzip ist es gleichgültig welchen Satz an 2 elastischen Moduln wir verwenden.
Es ist aber - wie immer - empfehlenswert, diejenigen Größen zu wählen, die am besten zur Fragestellung passen. |
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Es gibt noch weitere spezielle Spannungszustände - die Hülle eines Luftballons
oder Reaktordruckkessels steht zum Beispiel unter zweiachsigem Zug
- wir wollen jetzt aber (nach einem kleinen Einschub) gleich zum allgemeinsten Fall übergehen, dem beliebigen elastischen Spannungs- und Dehnungszustand in beliebigen Körpern. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)