8.3 Bändermodell und Materialeigenschaften

8.3.1 Isolatoren, Halbleiter und Metalle

Elektrische Leitfähigkeit in einem Band

Wir haben gesehen, daß es immer eine definierte Zahl von Zuständen in einem Teilband oder Gesamtband gibt. Diese Zustände wollen wir jetzt mit Elektronen besetzen.
Damit die Sache einfach bleibt, wählen wir zunächst T = 0 K. Damit steht keine thermische Energie zur Verfügung, die Fermiverteilung ist kastenförmig, und die Elektronen besetzen die vorhandenen Zustände energetisch "von unten kommend", bis alle untergebracht sind.
Dies läßt für das letzte Band, in dem noch Elektronen untergebracht werden müssen, nur zwei Möglichkeiten zu:
1. Alle Zustände im Band sind besetzt, wir haben ein vollbesetztes oder "volles" Band.
2. Nicht alle Zustände im Band sind besetzt; wir haben ein teilbesetztes Band.
Trivial, aber wirkungsvoll. Betrachten wir die folgenden Behauptungen:
1. Elektronen in vollbesetzten Bändern können nicht zur elektrischen Leitfähigkeit beitragen.
2. In teilbesetzten Bändern können nur Elektronen mit leeren Plätzen in der (energetischen) Nachbarschaft zur elektrischen Leitfähigkeit beitragen.
3. Falls eine ungerade Zahl von Elektronen auf ein Band zu verteilen sind, ist es immer nur teilbesetzt.
Hier versteckt sich offenbar eine Klassifizierung aller Materialien (nun ja: aller kristallinen Materialien, denn nur solche haben Bänder) in Leiter und Nichtleiter, wobei nur einige wenige grundlegende Eigenschaften der Bandstruktur gefragt sind. Machen wir uns zunächst die Punkte 1. bis 3. klar:
Zu 1. Das kennen wir eigentlich schon; das haben wir vor kurzem behandelt. Hier das Zitat:
"Nur Elektronen, die um sich herum unbesetzte Zustände finden, können überhaupt "was tun". Der Rest tut nichts !"
In einem voll besetzten Band gibt es per definitionem keine leeren Plätze; die Elektronen in diesem Band können also auf nichts (???) reagieren. Die Fragezeichen schränken "das Nichts" etwas ein; wir werden sie später klären.
Nochmals: Diese Aussagen sind eine direkte Folge der Tatsache, daß Elektronen Fermionen sind, also dem Pauli-Prinzip unterliegen. Für Bosonen, also z.B. Photonen, gilt diese Einschränkung (natürlich) nicht. Man stelle sich einmal vor, was passieren würde, wenn man in einen gegebenen Raum nur ein Photon mit einer bestimmten Frequenz hineinpacken dürfte!
Zu 2. Das versteht sich jetzt von selbst. Wir können das sogar ein bißchen genauer fassen, denn wir wissen schon, daß die Zahl der reaktionsfähigen Elektronen mit der Aufweichungszone der Fermiverteilung zusammenhängt.
Zu 3. Jeder Zustand eines Atoms kann immer zwei Elektronen aufnehmen – eines mit Spin "up", und eines mit Spin "down".
Das gilt auch für die Zustände in einem Band, die sich ja aus den Atomzuständen durch Aufspaltung entwickeln. Damit passen immer (2 mal Zahl der Zustände) Elektronen in ein Band – eine immer gerade Anzahl.
Damit müßten alle Elemente mit einer ungeradzahligen Anzahl von Elektronen, d.h. mit einer ungeradzahligen Ordnungszahl, im kristallinem Zustand Leiter sein.
Na ja – ein Blick auf das Periodensystem hilft weiter. Stimmt schon – außer vielleicht für die kristallinen Halogene; aber da werden bei der Kristallisation auch keine "richtigen" Bindungen eingegangen. Aber: Die meisten Elemente mit einer geradzahligen Anzahl von Elektronen sind auch Leiter – also ein besonders tolles Kriterium ist das nicht.
Immerhin, wir haben erste Zusammenhänge zwischen Bandstruktur und elektronischen Eigenschaften. Klarer wird das alles erst, wenn wir die Energielücken ins Spiel bringen.
Das schauen wir uns schnell an:
Valenz-und Leitungsband
Links ist eine beliebige Bandstruktur mit sogar 3 Bändern gezeigt; nochmals unterteilt in die zwei Varianten: Letztes besetztes Band ist teilbesetzt bzw. vollbesetzt. Orange symbolisiert hier besetzte Plätze, im Grünen ist noch was frei.
Wir treffen jetzt zwei einfache Vereinbarungen:
1. Das letzte besetzte Band heißt Valenzband. Dabei ist es unerheblich, ob es voll- oder teilbesetzt ist. Das Band direkt darüber heißt Leitungsband. Es ist (zunächst noch) immer leer (zur Erinnerung: Wir betrachten nach wie vor den Fall = 0 K). Das ist eine etwas vereinfachte Definition; aber für unsere Zwecke ausreichend.
2. Bänder unterhalb des Valenzbandes zeichnen wir nicht mehr. Die dort sitzenden Elektronen können sowieso nichts tun, sie sind uninteressant, und wir lassen sie zukünftig einfach weg.
Damit erhalten wir die rechts gezeigte Bandstruktur, mit der wir zukünftig arbeiten wollen.
 
Isolatoren, Halbleiter und Metalle
   
Wir brauchen nur noch eine Zutat, um die in der Überschrift genannten Materialklassen im Bändermodell sortieren zu können: Wir müssen Band-Band-Übergänge betrachten.
In anderen Worten: Erhält ein Elektron soviel Energie von irgendwoher, daß es die Energielücke zwischen Valenzband und Leitungsband überwinden kann, dann kann es unter Umständen vom Valenzband ins Leitungsband springen. Und dort kann es jetzt munter Strom leiten – was es im Valenzband, falls es voll besetzt war, nicht konnte.
Solche Band-Band-Übergänge , hervorgerufen durch thermische Energie (kBT = wie groß bei Raumtemperatur TRT?) oder Licht (E = hn = wie groß für sichtbares Licht?), ändern somit die elektronischen Eigenschaften des Materials. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Halbleitertechnik, und wir werden uns noch intensiv damit beschäftigen.
Hier reicht es zunächst völlig, einen simplen Zusammenhang qualitativ zu verstehen (quantitativ machen wir das in Kürze):
Ist die Energielücke sehr groß, wird es bei normalen Temperaturen kaum möglich sein, sie durch thermische Anregung zu überwinden. Ist sie sehr klein, ist es einfach – siehe die Aufgabe unten.
Damit haben wir zwanglos folgende Klassifikation von Isolatoren, Halbleitern und Leitern anhand von Banddiagrammen:
Bandstruktur und Leitungseigenschaften
Isolatoren sind alle Materialien, die ein vollbesetztes Valenzband und eine große Bandlücke EG haben. Die angegebenen Zahlen sind natürlich nur Richtwerte, keine scharfen Definitionen.
Selbst bei hohen Temperaturen werden es die Elektronen nicht schaffen, ins Leitungsband zu wechseln; Stromfluß kann nicht stattfinden.
Der spezifische Widerstand liegt bei (1010 . . . 1020) Wcm (wie mißt man sowas?). Quarzglas (SiO2) soll bei 1019 Wcm liegen, Phenolharze ("Pertinax") schaffen nur (109 . . . 1011) Wcm.
Ein volles Valenzband und ein mittelgroßes "Bandgap", um auch mal den gebräuchlichen englischen Ausdruck einzuführen, ergibt Halbleiter.
Die thermische Energie bei Raumtemperatur reicht aus, um einigen wenigen Elektronen den Sprung ins Leitungsband zu ermöglichen – etwas Stromleitung kann stattfinden. Wir erwarten, daß die Zahl der Elektronen im Leitungsband und damit die Leitfähigkeit mit wachsender Temperatur stark zunimmt.
Perfekte Halbleiterkristalle haben bei Raumtemperatur spez. Widerstände von ca. (101 . . . 108) Wcm; Si liegt z. B bei etwa 3 · 105 Wcm; GaAs bei 108 Wcm. Das sind aber keine besonders tiefschürfende Zahlen, da sie stark temperaturabhängig und extrem stark "dreck"abhängig sind. Bei T = 0 K ist die Leitfähigkeit aber immer Null.
Mit gezielt eingebrachtem "Dreck" (das nennt man dann "dotieren") kann man den spez. Widerstand halbwegs temperaturunabhängig einstellen, bei Si z. B. typischerweise im Bereich (10–2 . . . 103) Wcm.
Ein nicht voll besetztes Valenzband definiert ein Metall.
Wenn man genauer schaut, ist ein nicht voll besetztes Valenzband manchmal besser zu beschreiben als ein Überlapp zwischen vollbesetztem Valenzband und leerem Leitungsband; auch das ergibt einen Leiter. Falls eine Energielücke zwar vorliegt, aber sehr klein ist (der Wert 0,2 eV ist in diesem Zusammenhang nur ein Anhaltspunkt und vollständig willkürlich), haben wir sogenannte Halbmetalle .
Das ist aber hier nicht wirklich wichtig und dient nur dazu, klar zu machen, dass in Banddiagrammen sehr viel, oder genauer gesagt, alle relevante Information steckt.
In Metallen haben wir jedenfalls bei Raumtemperatur in allen Fällen immer genügend Elektronen, die bewegungsfähig sind, und damit auch eine gute Leitfähigkeit.
Der spezifische Widerstand von Metallen liegt bei Raumtemperatur (*) im Bereich 10–6 Wcm; hier einige genauere Zahlen:
Silber:  r Ag  =  1,63 · 10–6Wcm    (bester Leiter)
Kupfer:  rCu  =  1,7 · 10–6Wcm   aber
  rMessing = 5,2 · 10–6 Wcm
Zink:  rZn  =  5.9 · 10–6Wcm
Aluminium:  rAl  =  2.7 · 10–6Wcm  
Natrium:  rNa  =  4.2 · 10–6Wcm  
Blei:   rPb  =  21 · 10–6Wcm  
Quecksilber:  rHg  =  95,8 · 10–6 Wcm Nicht so toll!
(*) Da der spezifische Widerstand mit der Dichte (= Anzahl pro Volumen) frei beweglicher Elektronen und ihrer Beweglichkeit zusammenhängt (wie sieht noch mal die Formel dazu aus?) und sowohl Anzahl als auch Beweglichkeit wiederum von der Temperatur abhängen, hängt auch der spezifische Widerstand von der Temperatur ab.
Einfach und sehr flächendeckend. Aber: Wir betrachten nach wie vor perfekte Kristalle. Wie die Bandstruktur eines realen Polykristalls aussieht, der voll ist mit Defekten aller Art, steht noch auf einem anderen Blatt.
Die typischen Halbleiter Si und Ge wurden früher (ca. 1. Hälfte 20. Jahrhundert) auch eher den Metallen zugerechnet, da ihre Leitfähigkeit so schlecht nicht war. Das war aber eine Folge der zwar faszinierenden, jedoch nicht so recht faßbaren und deshalb etwas verpönten "Dreckeffekte".
Diese Dreckeffekte enthalten aber die Grundlagen der Halbleitertechnik, wir werden sie noch ausführlich kennenlernen.
Wie kann man die Leitfähigkeit eines gegebenen Materials manipulieren? Wie kann man für technische Anwendungen das herstellen, was man braucht?
Die Temperatur wird bei Isolatoren und Metallen nicht viel vermögen (ist auch unpraktisch). Die Dichten der frei beweglichen Elektronen sind nahe an null oder bereits recht hoch; viel läßt sich daran nicht ändern.
Es bleibt damit nur die gezielte Nutzung der "Dreckeffekte".
Nützt aber nicht viel bei Isolatoren und Metallen. Selbst einige leitende Ausscheidungen in Isolatoren werden die Leitfähigkeit nicht erhöhen, solange keine leitende Pfade zwischen diesen Ausscheidungen bestehen; und Defekte in Metallen werden zwar die Beweglichkeit etwas herabsetzen aber damit die Leitfähigkeit immer nur schlechter machen. In Metallen sind es auch nur verhältnismäßig "kleine" Effekte – maximal 2 Größenordnungen. Das ist klein, wenn man bedenkt, daß die Leitfähigkeit einen Bereich von gut 25 Größenordnungen umfaßt!
Letztlich erhalten wir für Metalle ein für uns hier uninteressantes Verhalten. Sie leiten halt, so gut sie es als idealer Kristall könnten, und wir können das technisch immer nur verschlechtern. Damit können wir sie hier als abgehakt betrachten. Auch Isolatoren können wir mit Blickrichtung auf die Leitfähigkeit abhaken (in Blickrichtung auf die Dielektrizitätskonstante haben wir sie auch schon abgehakt).
Was bleibt, sind die Halbleiter. Sie werden uns für den Rest dieser Vorlesung beschäftigen!
 
Zeit für eine gehaltvolle Übung
Übungsaufgabe
Aufgabe 8.3-1

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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)