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Ausgangspunkt: Wir betrachten die ungeladene Leerstelle in Elementkristallen (=Metalle), auch als (ungeladener) "Schottky Defekt" bezeichnet (s. Kap. 2.1.3). Der formale Ablauf stützt sich aud "Hayes and Stoneham". Zur Bildung einer Leerstelle braucht man bei konst. Druck (übliche Situation im Experiment) die freie Enthalpie (=Gibbsche Energie) gF | ||
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Der Index F steht dabei für Bildung
(=Formation). Achtung: Früher haben wir für statt gFetwas unscharf nur die Bildungsenergie EF benutzt! |
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Die Bildungsenthalpie hF ist dabei, wie in Festkörpern üblich, praktisch ununterscheidbar von der Bildungsenergie UF oder EFbei konstantem Volumen, der Sprachgebrauch ist unscharf. Neu gegenüber früher ist die Bildungsentropie (nicht zu verwechseln mit der "Mischungsentropie"), wenn viele Leerstellen betrachtet werden. Sie kommt aus der Unordnung, die schon eine einzelne Leerstelle ins Gitter einbringt, weil die Gitterschwingungen nicht mehr "stimmen" (siehe weiter unten). | ||
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Nächster Schritt: Minimiere G des defekten
Kristalls bzgl. n=Konzentration der Leerstelle= n/N N=Zahl der Atomplätze n folgt dann aus der Extremalbedingung |
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G0=Gibbsche Energie des perfekten Kristalls | ||
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G1=Arbeit um n Leerstellen zu erzeugen=n·gF | ||
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G2=-T·Sconf ; Sconf=Mischungsentropie | ||
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Damit gilt: |
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Die n Leerstellen können auf N Plätzen in PL=N!/((N - n)!·n!) (Achtung! Falsche Formel im Hayes and Stoneham) verschiedenen Möglichkeiten angeordnet werden. Die Mischungs- oder Konfigurations-Entropie wird über: |
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1. | Sconf= | kBln(PL) (das "B" bei kB wird zukünftig oft weggelassen) |
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2. | die Stirling Formel und der Vernachlässigung von n gegenüber N (d.h. | |
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3. | N - n = | ca. N) |
Basic Exercise | |
Derive the Formula |
zu | |||||||
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genähert. Mit n/N=f=Konzentration der Leerstellen erhalten wir die altbekannte Formel |
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Der Vorfaktor mit der Bildungsentropie ist dabei neu gegenüber der alten Version. | ||||||
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Wie immer, können alle Voraussetzungen und
Näherungen hinterfragt werden. Kurzbeispiele dazu: |
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Die Referenzenergie G0 des perfekten Kristalls kann von der chemischen Umgebung abhängen. Sauerstoffleerstellen eines Kristalls im Gleichgewicht mit einer Sauerstoffatmosphäre oder mit Vakuum können dann stark betroffen sein (darauf basiert zum Teil die Sensorik). | ||||||
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Die reine Gleichgewichtsbetrachtung sagt nichts darüber aus, wie die Leerstelle erzeugt wurde, und wo das überschüssige Atom jetzt ist. Die Anlagerung des überflüssigen Atoms an reale Oberflächen oder andere Defekte kann eigene Energieterme einbringen. | ||||||
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Es mag für eine Leerstelle (bei Zwischengitteratomen ist
dies unmittelbar einsichtig) mehr als eine Möglichkeit geben, sich auf
einen Atomplatz zu setzen (zusätzliche interne Freiheitsgrade; Entartung).
Dann muß ein weiterer (Entropie)Term zur freien Energie kommen, mit dem
Endergebnis:
![]() Die Zdbzw. Z0 sind die Zustandsummen im Defekt- bzw. im Referenzzustand. |
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Beispiele dazu: | ||||||
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Entartung wg. Spin (neutrale Leerstelle in Ionenkristallen): Zd/Z0=2 | ||||||
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(Doppel)Leerstelle in body-centered cubic
Kristallen mit Vorzugsorientierung entlang [111]: Zd/Z0=4
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Berechnung und Bedeutung der Bildungsentropie: | |||||||
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Herkunft aus geändertem Schwingungsspektrum
(Hinweis auf Entropie aus Schwingung zur Stabilität body-centered cubic; Haasen S. 113) |
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Berechnung nach Seeger (Kurzdarstellung): | ||||||
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Harmonische Näherung; Kristall=Summe harm. Oszillatoren | ||||||
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Energie eines Oszillators in
Quantenmechanik ![]() |
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Zustandssumme harm. Oszillator ist dann
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Die Zustandssumme des Kristalls wird
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Die freie Energie des Oszillatorsatzes ist
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Für die Entropie gilt
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Mit Einsetzen folgt ![]() für die Entropie des Idealkristalls. |
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Jetzt wird ein Kristall mit einer Leerstelle betrachtet. Alle Eigenfrequenzen ändern sich von wi nach w´i ; die Schwingungsentropie ist jetzt S´. | |||||||
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Die Bildungsentropie
der einen Leerstelle ist damit
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Oberhalb der Debye Temperatur gilt immer
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Man erhält in erster Näherung
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Die Berechnung erfolgt in analytischer Näherung nur für nächste Nachbarn der Leerstelle, mit entsprechend geänderten Federkonstanten aus den Bindungspotentialen. Man erhält: | ||||||
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sF(1 Leerstelle)=ca. 0.5 kBT (Cu) bis 1.3 kBT (Au) | ||||||
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sF (Doppelstelle)=ca. 1.8 kBT (Cu) bis 2.2 kBT (Au) | ||||||
Diese Werte passen zu den gemessen Werten (zur experimentellen Bestimmung siehe Kapitel 4). Im Umkehrschluß folgt daraus: | |||||||
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Die Bildungsentropie macht eine Aussage über die räumliche Ausdehnung der atomaren Fehlstellen. Je größer sF ist, desto mehr Atome um die atomare Fehlstelle herum sind betroffen, d.h. haben ihre Eigenfrequenzen stark geändert. Es gelten folgende Faustregeln: | ||||||
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sF » 1k entspricht atomarem Defekt; 10k entspräche "Ausdehnung" auf 5 - 10 Atome | ||||||
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Atomare Fehlstellen in Elementkristallen liegen bei sF » 1k; d.h. sind "atomar" oder "Punktfehler". Die große Ausnahme ist | ||||||
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Silizium, mit sF » 6k - 15k, (aus Diffusionsmessungen); dies war der Anstoß zur Theorie der "extended interstitials", denn für Eigenzwischengitteratome gelten natürlich dieselben Beziehungen. | ||||||
Mehrfachleerstellen
(Zwischengitteratome - mit Modifikationen - analog) |
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Bisher wurden alle atomaren Fehlstellen ohne Wechselwirkung angenommen. Wechselwirkungen sind aber möglich, bei Leerstellen sind sie in der Regel anziehend. Dies kann durch einfache Überlegungen gefolgert werden: | ||||||
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Metalle | ||||||
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Das durch die Leerstelle entstehende "Störpotential" im sonst periodischen Potential wird durch das freie Elektronengas abgeschirmt (Rearrangement der Elektronen in der Leerstelle). Die Bildungsenergie der Leerstelle ist im wesentlichen die Energie zum Umverteilen des Elektronengases, die Relaxation der Nachbaratome trägt nur wenig bei. | ||||||
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Entfernt man (gedanklich) neben einer bereits vorhandene Leerstelle ein zweites Metallion, ist die jetzt aufzubringende Arbeit kleiner, da ein Teil der notwendigen Abschirmungsarbeit bereits geleistet wurde. | ||||||
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Anders ausgedrückt: Die Doppelleerstelle besitzt eine gewisse Bindungsenergie (Größenordnung 0,1 - 0,2 eV). | ||||||
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Valenzkristalle | ||||||
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Die Bildungsenergie einer Leerstelle wird im wesentlichen durch das Aufbrechen von Bindungen bestimmt. Bei der Bildung einer benachbarten Leerstelle müssen weniger Bindungen aufgebrochen werden; wiederum kommt es zu einer Bindungsenergie. | ||||||
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Ionenkristalle | ||||||
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Die Leerstellen sind geladen. Dadurch kommt es zu Coulomb-Wechselwirkungen, die im Falle benachbarter Leerstellen des Kationen bzw. Anionenuntergitters anziehend sind. Im Unterschied zu den obigen Fällen ist die Anziehung hier weitreichend. | ||||||
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Der wesentliche neue Parameter ist also die Bindungsenergie b2V. Sie ist z.B. definiert über die Reaktionsgleichung | ||||||
1V + 1V
![]() V ist das Formelzeichen für eine Leerstelle (Vacancy)) |
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Berechnung der Gleichgewichts-Konzentration von
Doppelleerstellen |
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Weg 1: | ||||||
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Variation der gesamten freien Enthalpie (wie gehabt) | ||||||
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Mit gF(2V)=hF(2V) - TsF(2V);
hF(2V)=2hF(1V) - b2V; sF(2V)=2sF(1V) + D s2V (D s2V heißt Assoziationsentropie; Größenordnung 1k - 2k in Metallen) erhält man analog der Rechung für Einfachleerstellen |
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Der Faktor z/2 berücksichtigt dabei die verschiedenen Anordungsmöglichkeiten einer Doppelleerstelle. z ist dabei einfach die Koordinationszahl (Anzahl nächster (gleichartiger) Nachbarn) im Gitter (flächenzentriert (fcc) ist z=12, im raumzentrierten (bcc) ist z=8 und im Diamantgitter ist z=4) | |||||||
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Die Konzentration der Doppelleerstellen ist damit immer sehr viel kleiner als die der Einfachleerstellen im thermischen Gleichgewicht. | ||||||
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Typische Werte für Metalle am Schmelzpunkt: f1V=10-4 - 10-3 f2V=10-6 - 10-5 |
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Weg 2: Berechung über Massenwirkungsgesetz (MWG) | ||||||
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Zugrunde liegt die reversible Reaktion 1V + 1V ![]() |
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Damit folgt aus dem MWG sofort:![]() mit DE=freie Energie für Vorwärtsreaktion (Die diversen Vorzeichenkonventionen ,damit alles stimmt, sind einerseits sorgfältigst zu beachten wenn man wirklich rechnet, andererseits trivial, und werden deshalb hier nicht näher ausgeführt). |
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Wichtig: Die MWG-Betrachung gilt allgemeiner, nämlich nicht nur für das globale thermische Gleichgewicht, sondern auch für Defektreaktionen außerhalb des Gleichgewichts, z.B. beim Abkühlen des Kristalls, wenn die Leerstellen in zu hoher Konzentration vorhanden sind (lokales Gleichgewicht; siehe Kap 2.2.3) |
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