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Nun ja – hier ist das Eingangsbild
noch einmal, zusammen mit einem HRTEM-Bild (High-Resolution Transmission Electron Microscopy) realer Versetzungen im Si-Kristall. |
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Schematische Darstellung einer Versetztung |
Reale Versetzungen in Si |
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Entlang einer Linie, die in diesem Bild dem Ende einer zusätzlich in das Gitter / den
Kristall hineingeschobenen "Halb"-Ebene entspricht, ist die Symmetrie massiv gestört – die Linie stellt
einen Defekt dar. Die roten Striche im HRTEM-Bild markieren die "eingeschobenen" Ebenen. |
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Die schematische Darstellung einer sog. Stufenversetztung im obigen Bild ist ein
Klassiker, gibt aber aus der großen Menge aller möglichen Versetzungen nur einen ganz bestimmte Typus wieder.
Leider kann man all die anderen Typen nicht in einfachen Bildern veranschaulichen. |
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Macht aber nichts – für ET&IT-Studis reicht die Stufenversetzung. |
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Wir nehmen nur mal 2 Punkte zur Kenntnis: |
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Ein Versetzung definiert eine Linie im Kristall und hat danmit eine bestimmte Länge.
Die Länge aller in einem Kristall vorhanden Versetzungen bezogen auf das Kristallvolumen ist die Versetzungsdichte
r; wir haben also |
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r | = |
Gesamtlänge Versetzungen Volumen Kristall |
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Die Versetzungsdichte in einem gegebenen Kristall ist eine wichtig Strukturgröße;
sie liegt irgendwo zwischen 0 cm–2 und 1012 cm–2 . |
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Wozu Versetzungen gut sind |
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Über Versetzungen sollten ET&IT-Studis (so wie der Rest der Menschheit)
zunächst mal nur eines wissen: |
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Die plastische Verformung aller Kristalle
(= aller Metalle) erfolgt ausschließlich
durch die Erzeugung und Bewegung von Versetzungen. |
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In anderen Worten: Die gesamte Metalltechnik und damit die gesamte Zivilisation (wenn nicht
gar die Kultur) hängt an diesem 1-dimensionalen
Defekt. |
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Die Umkehrung des obigen Spruches ist auch richtig: Will ich plastische Verfomung
verhindern, muß ich die Erzeugung und (wichtiger) die Bewegung von Versetzungen
verhindern. |
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Aber nicht immer und hundertprozentig – denn sonst hätte ich ein sprödes Material
–, sondern so, daß ich maximale "Härte
" (= Widerstand gegen plastische Verformung) kombiniere mit einem Rest an Duktilität
(= plastische Verformbarkeit). |
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Das Paradigma dazu war jahrtausendelang das "magische"
Schwert; heutzutage ist es die Autokarrosserie (und der Golfschläger!). |
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Selbstverständlich ist plastische Verformbarkeit außerordentlich nützlich,
um ein bestimmtes Teil herzustellen (Kotflügel etc., z.B. durch Pressen). Aber auch Glas könnte man (bei höherer
Temperatur) in die Form eines Kotflügels oder Schwerts pressen; trotzdem haben Glasautos und Glasschwerter keine Bedeutung
erlangt. |
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Denn plastische Verformbarkeit ist auch beim fertigen Produkt, das sich eigentlich nicht mehr verformen soll, eminent praktisch: Das Stahlschwert bricht eben nicht,
wenn man auf ein anderes Stahlschwert haut, sondern hat allenfalls eine kleine Macke (= lokale plastische Verformung). Schlecht,
aber allemal besser als der beim Glasschwert sichere Bruch. Bei Kotflügeln etc. gilt dasselbe Prinzip. |
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Plastische, d.h. bleibende Verfomung heißt, daß sich ein Kristall
nach Einwirkung einer Kraft bleibend verformt hat. Das gilt z. B. für einen Kotflügel, nachdem man gegen einen
Baum gefahren ist – der Metallkristall hat jetzt eine ander Form als vorher. Der Baum selbst, falls man ihn nicht
gefällt hat, hat sich i.d.R. elastisch verformt (von den Verletzungen der Rinde
abgesehen). Er ist nach Wegnehmen der Kraft wieder in der vorherigen Gestalt. |
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Plastische Verformung bedingt zwangsläufig, daß Teile eines Kristalls sich gegenüber
anderen Teilen verschoben haben. Einige Atome sind nicht mehr dort, wo sie früher waren. Die damit verbundenen bleibenden
Verschiebungen der Atome werden immer
durch den Durchlauf von Versetzungen durch den Kristall erzeugt. |
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Wie das schematisch funktioniert, ist hier gezeigt: |
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Im ersten Schritt legen wir eine "Scherspannung"
an, die den oberen Teil des Kristalls gegenüber dem unteren Teil nach links verschieben möchte. In anderen Worten:
Wir hauen mit dem Hammer auf die obere rechte Hälfte. |
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Solange die Spannung nicht zu groß ist, wird der Kristall sich nur elastisch
verformen. Nach Überschreitung einer bestimmten Größe, der Fließspannung
oder Fließgrenze, bildet sich jedoch eine Stufenversetzung, die in der gezeigten Weise durch den Kristall wandert.
Versetzungserzeugung und -bewegung geschieht, sobald die "Fließgrenze" Rp auf dem
nebenstehendem typischen Spannungs-Verformungs-Diagramm überschritten wird. |
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Nach Durchqueren des Kristalls hat sich auch auf der rechten Seite eine Stufe gebildet. Der
Nettoeffekt des Durchgangs einer Versetzung ist die Abgleitung
der oberen Kristallhälfte relativ zur unteren um ungefähr eine Gitterkonstante
oder Atomabstand. |
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Warum so kompliziert, wenn es eigentlich auch einfach geht? Warum rutscht die obere Kristallhälfte
nicht einfach geschlossen nach links? Die Antwort ist einfach: Dazu müßten
erheblich höhere Kräfte wirken – man muß dann ja sehr viele Bindungen gleichzeitig lösen; mit
einer Versetzung sind es viel weniger. |
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Im täglichen Leben ist das ein bekannter Effekt. Oft gelingt die Bewegung eines Körpers
relativ zu einem anderen viel besser, wenn ein "Defekt" erzeugt wird, der durch den Körper läuft. Nachfolgend
ohne Kommentar drei Beispiele. |
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Teppichverrücken mit Falte |
Raupe ("Inchworm") |
Regenwurm |
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Wie groß sind Versetzungsdichten in normalen Kristallen? Die Antwort wurde
oben schon gegeben: man findet eine Bandbreite von 0 cm–2 bis zu
1012 cm–2 ! Beispiele dazu: |
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Versetzungsfreies Silizium
– das Basismaterial für die Siliziumtechnologie: r = 0 cm–2
Es gibt auch noch versetzungsfreies Ge, sonst haben alle Kristalle (mit Ausnahme mikroskopisch kleiner) immer eine
endliche Versetzungsdichte. |
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"Gute" Einkristalle (fürs Labor gezüchtet): r
» (103 bis 105) cm–2. |
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Normale Kristalle inkl. Polykristalle: r
» (105 bis 109) cm–2. |
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Stark verformte Kristalle:
r = bis 1012 cm–2. |
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Wenn man sich vor Augen hält, daß eine Versetzungsdichte von 1010
cm–2 bedeutet, daß in einem cm3 Kristall insgesamt 1010 cm =
100 000 km Versetzungen stecken, wird begreiflich, warum sich selbst große makroskopische Verformungen durch die
winzigen Verschiebungen der Einzelversetzung darstellen lassen. |
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Zum Schluß ein Link zu einem Bild
aus dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM ), mit dem man bei hoher Vergrößerung durch dünne
(d.h. Dicke » 1 µm) Kristalle hindurchsehen
und dabei Versetzungen direkt sichtbar machen kann. Die dreidimensionale Versetzungsstruktur wird dabei projiziert dargestellt. |
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Wann Versetzungen schlecht sind |
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Versetzungen bestimmen nicht nur mechanische Eigenschaften der (kristallinen)
Materialien, sondern auch elektrische Eigenschaften.
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Teilen wir die Welt der elektrotechnischen Materialien
klassisch ein in - Leiter (meist Metalle)
- Isolatoren (= Dielektrika)
- Halbleiter
- Ferromagnete
finden wir – ganz grob – folgende Effekte: |
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Metalle:
Wichtig ist eigentlich nur der spez. Widerstand . |
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Versetzungen erhöhen immer den spez. Widerstand
– der Effekt ist aber nicht sehr groß und relativ unwichtig. |
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Isolatoren:
Wichtig sind Dielektrizitätskonstante
und Durchschlagsfestigkeit. |
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Versetzungen gibt es nur in kristallinen Varianten. Dann sind sie nicht gut für diese
Eigenschaften, aber für gebräuchliche Materialien nahezu unbedeutend. |
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Halbleiter:
Wichtig ist der Leitungstyp
, der durch Dotieren eingestellte spezifische Widerstand,
das Rekombinationsverhalten der Ladungsträger (bestimmt u.a., ob
und wieviel Licht rauskommt) und das Verhalten von "Phasengrenzen" ("pn-Übergänge"). |
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Für die allermeisten Halbleiterbauelemente (Dioden, Transistoren, Thyristoren, integrierte
Schaltungen, Optoelektonik (LED, Laser, Lichtdetektoren, ...) gilt die einfache Regel: Versetzungen
sind tödlich. |
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Die Ausnahme sind diverse Solarzellentypen und einige optoelektonische Materialien (insbesondere
GaN). Dort sind Versetzungen zwar auch immer schlecht, man kann (und muss) aber mit
ihnen leben. |
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Ferromagnetische
Materialien: |
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Versetzungen, zusammen mit all den anderen Defekten, beeinflussen sehr stark die Form der
Hysteresekurve. Das ist überwiegend gut, denn damit kann man
magnetische Materialien optimal anpassen. |
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Fazit: Auch wenn i.a. kein Schwein (insbesondere
in der Form von Geisteswissenschaftlern, Politikern, Kulturschaffenden, ...) weiß was Versetzungen sind, heißt
das noch lange nicht, dass sie unwichtig sind. |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)