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Nachdem wir jetzt das reziproke Gitter verstanden haben, wollen wir es auch benutzen. |
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Die erste Anwendung betrifft die sogenannte Ewald
Konstruktion
der Beugung. Es handelt sich dabei um eine an Einfachheit nicht mehr zu überbietende
geometrische Umsetzung der vektoriellen Bragg Bedingung. |
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Gegeben sei ein Wellenvektor k und ein Gitter; beide haben
eine feste räumliche Orientierung zueinander. Denn obwohl der Wellenvektor die Dimension cm– 1
hat, d.h. im Ortsraum eigentlich gar nicht definiert ist, legt er doch über Amplitude = A(r)
= A0 · eikr die Richtung der Welle
im Ortsraum eindeutig fest. |
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Wir fragen, welche der unendlich vielen Netzebenenscharen des Gitters die Bragg-Bedingung
erfüllen. |
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Dazu zeichnen wir einfach das reziproke Gitter in der exakten Orientierung relativ zu dem
Wellenvektor (beide können in dasselbe KO System eingezeichnet werden, da beide die Maßeinheit m–
1 haben). Die Spitze des Wellenvektors lassen wir auf dem Nullpunkt des reziproken Gitters enden. |
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Danach zeichen wir einen Kreis mit Mittelpunkt am Anfangspunkt
von k und Länge |k|. Dreidimensional
wird das natürlich eine Kugel, die sogenannte Ewald Kugel. |
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Das war's. Offenkundig, wie unten zu sehen, erfüllen alle Ebenen, deren reziproke Gitterpunkte
von der Ewaldkugel geschnitten werden, die (zweite Variante der) Bragg -Bedingung. (Nicht vergessen: Jeder Punkt im reziproken Gitter
steht für eine Ebenenschar des Raumgitters!) |
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Die ganze Konstruktion ist unten gezeigt; die möglichen k'
Werte sind eingezeichnet. |
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Es drängt sich natürlich eine Frage
auf: Ein mathematischer Kreis schneidet einen mathematischen
Punkt nie, da sowohl Linie als auch Punkt unendlich "dünn" sind. |
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Was also heißt "...geschnitten werden..." in unserem Fall? Einfach nur, daß
Ewald Kugel und reziproker Gitterpunkt sich nahe genug kommen. |
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Aha! Und was heißt nahe genug? Nun ja, eine echte
Welle hat nie eine exakte Wellenlänge, sondern eine bestimmte Frequenz- und Wellenlängenverteilung, und damit
auch einen k-Vektor mit einer gewissen Längenverteilung Dk.
Unsere Kreislinie ist also keine Linie, sondern ein dünnes Band - und damit kann man einen Punkt schon "schneiden". |
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Außerdem sind unsere reziproken Gitterpunkte bei
echten Kristallen auch keine mathematischen Punkte, sondern haben eine endliche Ausdehnung,
die proportional zu den reziproken Dimensionen des realen Kristalls sind. Nur ¥ große
Kristalle haben ¥ kleine reziproke Gitterpunkte. |
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Damit kann man, wenn man will (und kann) "nahe genug"
beliebig genau quantifizieren. Wir wollen (und können) das aber nicht - glauben es aber trotzdem. |
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Man kann die Ewald Konstruktion natürlich sofort erweitern und zum Beispiel
untersuchen: |
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Was passiert, wenn die einfallende Welle nicht monochromatisch
ist, sondern einen bestimmten Bereich an Wellenlängen abdeckt? Klar: Viele Kugeln
einzeichnen (ein Kontinuum); eine trifft einen gegeben Punkt des reziproken Gitters immer, wir bekommen Reflexe von (fast)
allen Ebenen. |
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Was passiert, wenn die einfallende Welle monochromatisch ist, wir aber den Kristall drehen. Klar: Bei einem definierten Drehwinkel wird ein herausgegriffener
Punkt des reziproken Gitters "reflektieren", d.h. die Ewald Kugel schneiden. |
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Damit sind wichtige Methoden zur Strukturuntersuchung schon angedeutet, wir werden
darauf später noch näher eingehen. |
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© H. Föll (MaWi 2 Skript)