Die Grundregeln für atomare Fehlstellen in (einfachen) Kristallen (= Metalle) waren: | ||
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Für den einfachen Kristall Silizium stimmt das aber alles nicht so richtig! | ||
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass in dem Material, dessen atomare Fehlstellen technisch mit Abstand am wichtigsten sind (nämlich in der Si-Mikroelelektronik), das quantitative Verständnis bei weitem nicht so gut ist wie z.B. bei Gold oder anderen verhältnismäßig unwichtigen Metallen. | ||
Selbst heute (2004) kann man sich über atomare Fehlstellen in Silizium und die damit zusammenhängende Diffusion noch trefflich streiten. Das gilt im Übrigen auch für andere Halbleiterkristalle. | ||
Was ist nun anders: Hier eine Liste - ohne Gewähr für die Einzelheiten: | ||
Die Bildungsenergie für Leerstellen ist unverhältnismäßig hoch; so um (2 - 3)eV. Damit ist die Gleichgewichtskonzentration selbst am Schmelzpunkt so klein (< 10–6), dass sie bis heute keiner direkten Messung zugänglich ist. Das gilt aber auch für andere (Halbleiter)kristalle, ist also alleine noch nichts besonderes. | ||
Die Bildungsenergie für Zwischengitteratome ist zwar auch hoch, aber nicht viel höher als die der Leerstellen. Damit ist Si unter den bekannteren Kristallen der einzige, in dem man Zwischegitteratome im thermischen Gleichgewicht nicht schlicht "vergessen" kann. | ||
Die Bildungsentropie ist hoch, die Defekte sind "ausgeschmiert". Das führt zu einigen neuen möglichen Mechanismen bei der Reaktion zweier atomaren Fehlstellen. | ||
Die Diffusion der für die Technik so wichtigen Dotierelemente P, B, As (aber auch bei alle anderen) erfolgt deshalb teilweise mit ungewöhnlichen Mechanismen, die Eigen-Zwischengitteratome "benutzen". Sie ist damit viel komplizierter als in jedem Metall, und entsprechend in der Praxis schwieriger zu handhaben. | ||
Die technisch verwendeten riesigen Siliziumkristalle sind nahezu perfekt - sie enthalten keine Korngrenzen oder Versetzungen und nur sehr kleine Konzentrationen der unvermeidlichen Fremdatome (die Verunreingungen). Trotzdem ist vor allem die Konzentration an atomar gelöstem Sauerstoff (und evtl. noch Kohlenstoff) in derselben Größenordnung wie die der atomaren Fehlstellen. Damit haben wir ein ganzes Spektrum an atomaren Fehlstellen in vergleichbaren Konzentrationen, die untereinander (beim Abkühlen des Kristalls) in mannigfacher Weise reagieren können. | ||
Da es sonst keine weiteren Defekte gibt an denen die die atomaren Fehlstellen "ausheilen" könnten, sind sie (und ihre Reaktionsprodukte) auch bei Raumtemperatur noch da, obwohl die extrem kleine Gleichgewichtskonzentration dann eigentlich nahezu komplettes Verschwinden fordern würde. Damit ist letztlich die Perfektion der Si-Kristalle kompromittiert - mit negativen Folgen für die daraus herzustellenden Produkte. | ||
Im Endeffekt mußten für jeden Fortschritt in der Integrationsdichte der Mikroelektronik große Anstrengungen im "Management" der atomaren Fehlstellen im Si gemacht werden - bei der Kristallzucht und beim Prozessieren danach. | ||
Darin liegt dann einer der Gründe für ultra-hyperteure Kristallzuchtversuche im Weltall, oder besser gesagt, an Bord des Space-Shuttles. | ||
5.3.3 Gleichgewichtskonzentration von atomaren Fehlstellen in Kristallen
6.2.1 Atomare Betrachtung der Diffusion
Bildungsenergie - freie Bildungsenthalpie
© H. Föll (MaWi 1 Skript)