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Im Jahre 2002 erschien ein Buch über John Bardeen (True Genius: The
Life and Science of John Bardeen, by Lillian Hoddeson and Vicki Daitch), das interesante Details über diesen zu Unrecht
gar nicht so bekannten Physiker enthält. |
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Schon der Titel ist eine kleine Provokation in diese Richtung; er spielt auf
das Buch "Genius: The Life and Science of Richard
Feynman" (by James Gleick) an. | |
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Bardeen hat jedenfalls zwei Nobelpreise im Fach Physik
gewonnen (als einziger überhaupt; die zwei Nobelpreise von Linus Pauling
waren für verschiedene Gebiete). Feynman, wie alle anderen Physiker auch, hatte aber nur einen. |
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Daß er vielleicht außerhalb der Physik nicht so bekannt wurde wie
Feynman (oder auch Einstein, der allerdings in normalen Zeiten mindestens
6 Nobelpreise eingesammelt hätte), liegt wohl daran, daß er zwar ein wahres Genie war, aber nicht, wie man
das im allgemeinen so erwartet, mit "genialer" Lebensführung. Er war weder besonders "künstlerisch"
ausgeflippt, noch neurotisch oder schwierig im Umgang (schon wieder eine Anspielung auf Feynman). |
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Obwohl er, etwas frühreif, schon mit 15 zur Uni ging, war er 25 als er
in 1933 in Princeton bei Eugene Wigner die höheren Weihen der Physik empfing.
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Über Harvard kam er schließlich als Professor an die Minnesota University - nur
um dann im zweiten Weltkrieg der Leiter einer 90 Mann umfassenden Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren im
Artillerielabor der Navy zu werden. |
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Ein gutes Angebot nach dem Krieg verpflanzte ihn in die "Bell
Labs", die Grundlagenforschungslabors des Telefonmonopolisten Bell Telephone (und damals die größte Firma der Welt).
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"Bell Labs" war und ist immer noch ein stehender Begriff in der Welt
der Naturwissenschaft/Technik; nicht zuletzt weil William Shockley
als Boss von Bardeen und Brattain dort 1947 den Transistor
"erfand". |
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Obwohl der Name Shockley die beiden anderen überstrahlte, hatten die Junioren
wohl eher den größeren Anteil an der Sache (wie so häufig im wirklichen Leben). Das führte auch relativ
rasch zu einem Zerwürfnis in der Gruppe - glücklicherweise, denn das induzierte Bardeen, das Weite zu suchen und
1951 zur University of Illinois zu gehen (unter dem Einfluß des Freundes und Wigner Schülers Seitz (Jetzt sollte eigentlich ein hörbares "Klick"
im Hirn des MaWi Studis erfolgt sein!). |
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Shockley verließ die Bell Labs dann auch, und während seine in Kalifornien
gegründete Firma zwar letztlich das "Silicon Valley" ins Leben rief, war er persönlich nicht mehr besonders
erfolgreich in der Wissenschaft. |
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Bardeen jedoch widmete sich wieder seiner alten Liebe - der Supraleitung - der
er in Harvard begegnet war. |
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Durch systematisches und zähes Arbeiten (nur kurz unterbrochen um den Nobelpreis
für den Transistor entgegenzunehmen) konnte er 1957 eine weltbewegende Veröffentlichung produzieren, zusammen
mit einem seiner Studenten (Bob Schrieffer) und einem Post-doc
(Leon Cooper): Die seither universal als BCS-Theorie
bekannte erstmalige quantitative Erklärung der Supraleitung. |
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Die Grundideen dieser neuen Theorie ("broken gauge symmetry") durchzieht
seither die Physik und hat mindesten 4 weitere Nobelpreise nach sich gezogen. |
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Danach kam auch nicht mehr viel auf dieser Ebene - wir vernachlässigen Kleinigkeiten
wie seine Schlüsselrolle bei der Gründung der SONY und XEROX Forschungslabors, und sonstige hochgestellte Positionen
im Wissenschaftsmanagement. |
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Auch Bardeen gehört zu den wenigen Menschen, die für kurze Zeit etwas
Monumentales wissen, was sonst keiner weiß, und damit den absoluten Höhepunkt eines Forschers erleben. |
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Wir wissen nicht, was Bethes
Freundin in dieser Situation sagte; aber der Wortwechsel zwischen Bardeen und seiner Frau ist überliefert: |
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Nachdem der erste funktionierende Transistors gebaut war, kam Bardeen heim, lief
in die Küche, und sagte zu seiner Frau: "Heute haben wir etwas entdeckt". "Wie interessant" sagte
seine Frau, "aber ich muß jetzt das Essen auf den Tisch bringen". |
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Wer mehr wissen will liest das Buch, oder die Buchbesprechung in "Nature"
(Dez. 2002), die von keinem geringeren als P.W. Anderson
stammt; ebenfalls Nobelpreisträger, der überdies Bardeen persönlich gut kannte. |
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© H. Föll (MaWi 2 Skript)