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Im Bereich der Glastemperatur, oder etwas genauer, für TG
> T > 0,75 TG , zeigt die Spannungs - Dehnungskurve bei "zähen" Polymeren
ein neues Phänomen - die Streckung - das so in anderen Materialien nicht beobachtet
wird. |
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Hier ist eine typische Kurve zusammen mit den Änderungen der Konformation: |
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Das Experiment dazu kann jeder selber machen; viele Kunststoffe - z.B. Folienhüllen
oder Bonbonhüllen - sind geeignet. |
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Einfach einen langen Streifen herausschneiden, und kräftig daran ziehen. Mit dem richtigen
Material beobachtet man, daß es sich mit relativ konstanter Kraft sehr lang ziehen läßt; dabei wird es
deutlich schmäler und dünner (und außerdem oft milchig weiß). |
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Dabei bildet sich zuerst irgendwo eine Einschnürung - manchmal auch an zwei Stellen gleichzeitig
- die sich dann ausbreitet. |
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Läßt man los, bleibt das Polymer gedehnt - es ist also ein rundsätzlich anderes
Verhalten als bei Elastomeren, die eine
ähnliche, jedoch vollständig elastische Spannungs - Dehnungskurve aufweisen. |
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Was strukturell geschieht, ist fast mit dem bloßen Auge zu sehen: Die im
unverformten Zustand mehr oder weniger regellos verknäuelten (und relativ wenig vernetzten) Ketten werden alle parallel
ausgerichtet. Das Ende der plastischen Verformbarkeit ist erreicht, wenn die Ketten auf maximale Länge gestreckt sind. |
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Das Material wird dann schnell hart und reißt. |
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Manche Polymer sind von vornherein gestreckt - entweder durch geeignete Herstellverfahren
oder durch mechanische Streckung bei erhöhter Temperatur. Dann haben wir die hochfesten Kunststoffseile
und -taue, die sich größter Beliebtheit erfreuen. Das Spektrum reicht vom "Nylonfaden", über Angelschnüre
bis zu den dicken Tauen, mit denen große Schiffe vertäut werden. |
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Verwebt man diese Fäden, bekommen wir hochfeste Stoffe - für Segel, Anoraks, Verpackungsmaterial. |
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Der Mechanismus ist klar: Die sekundären Bindungen können der wirkenden
Spannung nicht standhalten, die Ketten sind beweglich. |
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Die Zahl der "harten" Knoten ist zu gering um die Streckung zu verhindern (und gummiartiges
Verhalten zu erzwingen); Verschlaufungen leisten
zwar Widerstand, aber können die Streckung nicht verhindern. |
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"Crazing" |
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Hat man ein Material das z.B. bei Raumtemperatur schöne Streckung zeigt,
ist klar, was bei Erhöhung der Temperatur passiert. |
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Die Streckung wird bei immer kleineren Spannungen möglich, gleichzeitig wird das Material
zunehmend viskos. |
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Bei Absenken der Temperatur wird das Polymer
spröde - aber zwischen Streckung und vollständiger Sprödigkeit (d.h. keine plastische Verformung ist möglich)
gibt es einen Übergangsbereich, den wir bei vielen Polymeren des täglichen
Gebrauchs beobachten können. |
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Man nennt diesen Bereich gelegentlich "Crazing"; dieses
typische Verhalten haben wir beispielsweise wenn wir versuchen ein Geodreieck oder Plastiklineal zu biegen. |
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Das Lineal wird zwar schnell brechen, aber zuvor verformt es sich doch noch ein bißchen
plastisch. Die gebogene Stelle wird dabei milchig weiß und undurchsichtig, außerdem sieht man oft kurz vor dem
Bruch feine Linien senkrecht zur Längsrichtung. |
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Was dabei genau geschieht, machen wir uns wieder an einem Spannungs - Dehnungsdiagramm
mit eingezeichneter Struktur klar. |
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Wie beim "gemeinen"
Sprödbruch wachsen Mikrorisse, die im Material latent vorhanden waren
oder sich an Oberflächendefekten bilden. |
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Aber im Übergangsbereich des "Crazing" werden noch einige Fasern über
dem Mikroriss hinweg gestreckt (links gezeigt), so daß das Wachstum der Mikrorisse erschwert wird. |
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Erst wenn für hohe Spannungen die gestreckten Faserbündel reißen (rechts gezeigt),
kann der Mikroriß sich ausdehnen und das Material wird schließlich brechen. |
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Die damit verbunden Inhomogenitäten streuen das Licht - das Material wird weißlich-undurchsichtig. |
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Crazing, als eine eigentlich ziemlich spezielle Verformungsart in einem kleinen
Temperaturbereich der Elastomere, wird deshalb bei Gebrauchspolymeren recht häufig
beobachtet, weil man natürlich das Polymer so "eingestellt" hat, daß die Glastemperatur nur etwas über
der Raumtemperatur liegt. |
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Damit läßt sich der Thermoplast mit dem geringstmöglichen Energieaufwand in
die gewünschte Form bringen und ist bei Raumtemperatur stabil. Außerdem ist vollständig sprödes Verhalten
in der Regel auch nicht erwünscht - der Bereich des "Crazing" ist gerade richtig. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)