Tiefe Temperaturen
Wie verformen sich Polymer plastisch? Versetzungen gibt es nicht, wir brauchen andere Mechanismen. Was passiert beim Bruch - auch für Polymere gilt schließlich der 1. Hauptsatz der Materialwissenschaft! | |||
Relativ klar sind die Extreme - bei Temperaturen weit weg von der Glastemperatur TG . | |||
Für T < TG sind alle Bindungen fest - die Sekundärbindungen zwischen den Ketten genauso wie die kovalenten Bindungen zwischen den C - Atomen. | |||
Da es keineVersetzungen oder andere lokalisierte strukturelle "Defekte" gibt, deren Wanderung durch das Material Verformung erzeugen kann, sind "kalte" Polymere schlicht spröde. | |||
Die Spannungs - Dehnungskurve sieht schematisch so aus: | |||
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Alles in allem ist ein Polymer zwar "weicher" als eine harte Keramik (d.h. der E-Modul ist kleiner); möglicherweise gibt sie auch noch ein bißchen nach kurz vor dem Bruch, aber im wesentlichen werden Bindungen "langezogen" und - beim Bruch - Mikrorisse zum Wachstum animiert. | |||
Also nichts neues im Prinzip - wohl aber im Detail. Aber damit wollen wir uns nicht befassen. | |||
Hohe Temperaturen | ||
Die Verformung bei hohen Temperaturen - immer in Bezug auf die Glastemperatur, also T > TG, - ist ebenfalls relativ klar: | ||
Falls das Polymer nicht vor Erreichen der Glastemperatur "abraucht", also zu den Duroplasten zählt, wird es sukzessive weicher und viskoser; die Konsistenz wird "honigartig" | ||
Und wie verformt sich Honig (oder Streichkäse)? Wie eine Flüssigkeit - nur viel langsamer. | ||
Vom Prinzip her uninteressant - von der Anwendung her natürlich nicht. | ||
Die Möglichkeit der leichten Formgebung durch viskoses Fließen bei Thermoplasten ist natürlich eine der Gründe, warum die moderne Welt durchsetzt ist von billigen Kunststoffgehäusen, Plastiktüten, Packmaterial, usw. | ||
Der Übergang von spröde zu viskos kann in einem relativ kleinen Temperaturbereich erfolgen. Wer jemals (bei Raumtemperatur relativ sprödes) Plexiglas mit einer stumpfen Stichsäge bearbeitet hat weiß das: Die Temperaturerhöhung durch das Sägen reicht aus um das Material viskos zu machen - man sägt munter vor sich hin, aber hinter dem Sägeschnitt ist das Plexiglas viskos wieder zusammengeflossen; der Sägeschnitt ist weg! | ||
Nicht vergessen wollen wir die Komplikationen, die der Elastomerbereich bereiten kann - aber bei genügend hohen Temperaturen werden auch Elastomere weich (oder sie zersetzen sich vorher). | ||
Was bleibt ist der Bereich der Glastemperatur selbst. Hier gibt es neue Verformungsmechanismen, die wir im letzten Unterkapitel behandeln wollen. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)