9.2 Elastische und viskoelastische Eigenschaften von Polymeren

9.2.1 Einige allgemeine Eigenschaften

Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls

Alle Polymere (außer einige Duroplaste) zeigen eine sehr starke Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls.
In einem Diagramm mit dem Logarithmus des E-Moduls über der Temperatur sieht das etwa so aus:
E-Modul von Polymeren als Funktion derTemperatur
In der Nähe der Glastemperatur sinkt der E-Modul um mehrere Größenordnungen.
Aus recht harten Thermoplasten und Elastomeren (die, wenn man mit dem Hammer draufhaut, wie Glas zerspringen), werden weiche Materialien (Thermoplaste oder hochelastische Elastomere).
Der Übergang in den flüssigen Zustand erfolgt bei Thermoplasten kontinuierlich; die Angabe eines E-Moduls alleine verliert ihren Sinn.
Duroplaste bleiben hart, aber nur weil sie sich vor Erreichen der Glastemperatur zersetzen.
Die E(T) Kurve eines Polymers hat es in sich; sie wird uns im nächsten Unterkapitel noch ausführlicher beschäftigen.
 
E - Modul und Vernetzungsgrad
   
Der Verlauf der E(T) Kurve ist für ein gegebenes Polymer stark abhängig vom Vernetzungsgrad.
Gemessene Kurven für Polyisopren oder Naturkautschuk; das milchig-klebrige Zeug von den Gummibäumen, sind unten gezeigt.
Naturkautschuk ist nicht sehr nützlich, es entspricht in etwa der braunen bis dunkelblauen Kurve. Es bedurfte der Erfindung der Vulkanisation des Herrn Goodyear, bevor aus Kautschuk nutzbarer Gummi für Reifen und zahllose andere Anwendungen wurde.
E -Modul und Vernetzungsgrad
Durch zunehmende Vernetzung wird aus weichem, halbviskosem Naturkautschuk ein Elastomer, ein guter nutzbarer Gummi, dessen elastischer Bereich in Maßen einstellbar ist.
Bei sehr starke Vernetzung wird Hartgummi produziert, schon fast ein Duroplast.
Die Vernetzung erfolgt in diesem Fall durch Schwefelbrücken daher der Nahme "Vulkanisation".
 
Zeitabhängigkeit der Dehnung
   
Nimmt man einen beliebigen Kristall und setzt ihn plötzlich einer Spannung s aus, die nicht so groß ist daß die Fließgrenze überschritten wird, wird die zugehörige elastische Dehnung e = (1/E)s sich praktisch instantan einstellen.
 
Zeitabhängigkeit der Dehnung 1
Wird die Spannung plötzlich entfernt, wird die Dehnung sehr schnell auf Null zurückgehen.
Das gilt auch für Polymere - solange wir im Bereich des großen E-Moduls sind, d.h. deutlich unterhalb der Glastemperatur.
Tragen wir Spannung und Dehnung als Funktion der Zeit auf, erhalten wir nebenstehendes Prinzipdiagramm.

In den "weichen" Bereichen ist das zeitliche Verhalten anders: Bei plötzlichem Einschalten der Spannung beobachten wir eine ausgeprägte zeitliche Entwicklung der Dehnung, ebenso beim plötzlichen Abschalten der Spannung.
 
Anelastizität und Viskoelastizität
Man kann zwei qualitativ verschiedene Verhaltensmuster unterscheiden:
AnelastischesVerhalten. Auf eine angelegte Spannung erfolgt eine unmittelbare instantane Dehnung, die aber nicht zur Enddehnung führt. Diese wird erst nach einiger Zeit erreicht, in der das Polymer sich mehr oder weniger schnell immer weiter dehnt.
Beim Abschalten der Spannung erfolgt die Rückbildung der Dehnung "spiegelverkehrt". Erst nach einiger Zeit ist die Dehnung wieder auf Null.
Die viskoelastische Verformung enthält die Anelastizität, aber auch noch eine plastische Komponente. Nach einem rein elastischen und anelastischen Verformungsteil wird die Probe unter konstanter Last jetzt kontinuierlich länger.
Beim Abschalten der Spannung wird der Ausgangszustand nicht wieder erreicht, die Probe hat sich zu einem Teil plastisch verformt.

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)