Beweglichkeit und Diffusionskoeffizient - wirklich ein und daselbe?

An verschiedenenStellen im Hyperskript wurde darauf hingewiesen, dass Beweglichkeit und Diffusionskoeffizient im Grunde genommen dasselbe sind; Einstein hat's bewiesen.
Warum haben wir mehr als 80 Jahre danach immer noch beide Begriffe? Sind Physiker und Materialwissenschaftler etwa Traditionalisten wie die Elektrochemiker, die an alten Bezeichnungen hängen und damit die Welt komplizierter machen als unbedingt nötig?
Die Antwort ist: Nein! Es gibt gute Gründe beide Begriffe zu verwenden - in ihrer jeweils "natürlichen" Umgebung. Dass es zwischen Beweglichkeit und Diffusionskoeffizient einen fundamentalen Unterschied gibt zeigt sich sofort, wenn wir die Temperaturabhängigkeit der zugehörigen "paradigmatischen" Prozesse anschauen
 
Bei der Diffusion von z.B. Leerstellen oder Zwischengitteratomen hat der Diffusionskoeffizient die folgende Temperaturabhängigkeit: Bei der Streuung von beweglichen Elektronen in einem Metall hat die Beweglichkeit folgende Temperaturabhängigkeit:
D  =  D0  · exp – Em
kT 
µ(T)  =   ?????  
   µ   Tn       n = (1 ... 2)
Der Diffusionskoeffizient ist proportional zur "Anlauffrequenz" mal der Wahrscheinlichkeit eine Potentialbarriere der Höhe Em zu überwinden, d.h. dem Boltzmannfaktor. Wir haben die T-Abhängigkeit von µ gar nicht behandelt! Da aber die Stöße mit Defekten kaum temperaturabhängig sein können, bleiben nur die Stöße mit den Phononen, den "gequantelten" thermischen Gitterschwingungen. Mit zunehmender Temperatur gibt es mehr und energetischere Phononen. Es wird also bei höherer Temperatur mehr "gestoßen". Zur Beschreibung ist der gemachte Ansatz nicht schlecht.
Wir haben eine exponentielle Zunahme des Diffusionskoeffizienten mit der Temperatur. Wir haben eine relativ schwache Abnahme der Beweglichkeit mit der Temperatur.
         
Alles klar? Also nochmal:
Mit Beweglichkeiten beschreiben wir herumflitzende Teilchen, die durch Stöße "thermalisiert" und "randomisiert" werden.
Mit einem Diffusionskoeffizient beschreiben wir Teilchen, die die meiste Zeit damit verbringen, in einem Potentialtopf hin- und her zu schwingen, und nur gelegentlich mal einen "random" Hüpfer machen.
Grundverschiedene Mechanismen - aber das daselbe "Wanderungsergebnis": Random Walk!
 

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© H. Föll (MaWi 2 Skript)