Beweis der dichtesten Kugelpackung


Nachstehend ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom Okt. 1998 zur dichtesten Kugelpackung


Die Mathematik der Orangen


Keplers Vermutung über dichtes Packen von Kugeln bewiesen

Wie lassen sich Orangen platzsparend schichten? Oder in der Sprache der Mathematik: Welches ist die dichteste Packung von Sphären im dreidimensionalen Raum? Die Antwort ist kein Geheimnis, sie kann an jedem Obststand besichtigt werden. Orangenpyramiden füllen den Raum zu etwa 74 Prozent mit Frucht, die Luft dazwischen macht nur 26 Prozent aus. Daß diese bewährte Stapelmethode aber auch im streng mathematischen Sinne die beste ist, hat Thomas C. Hales von der Universität von Michigan bewiesen (Nature, Bd. 395, S. 435, 1998).

Schon 1611, damals ging es noch um die Lagerung von Kanonenkugeln, war Kepler überzeugt von der erwähnten Methode. Einen strengen Beweis konnte aber auch der geniale Physiker nicht liefern, und seitdem heißt seine Überzeugung die "Keplervermutung". Im Jahr 1900 adelte David Hilbert die Vermutung, indem er sie als eine der wichtigen offenen Fragen auf dem Internationalen Kongreß der Mathematiker vortrug. Zum Beweis brauchte es stolze 387 Jahre; er ist deshalb so schwierig, weil es nicht um das dichte Packen von vier oder zehn Kugeln geht, sondern um unendlich viele. Und da ist es zwar höchst unwahrscheinlich, aber dennoch schwierig aususchließen, daß ein leichtes Abweichen von der Orangenmethode nicht doch günstig sein könnte.

Schon zweimal, 1975 und 1993, legten Fachleute Beweise vor, die sich später als unvollständig erwiesen. Hales Beweis bringt es auf enorme 250 Seiten. Zwar bestehen in der Fachwelt keine Zweifel an der Gültigkeit des Beweises, aber er ist noch nicht begutachtet oder in einer Fachzeitschrift erschienen. Hales hat seine Überlegungen jedoch über das Internet zugänglich gemacht (www.math.lsa.umich.edu/~hales). *)

Noch etwas ordnet den Beweis einer erst seit wenigen Jahren bestehenden Gattung zu: Er benutzt an zentraler Stelle ein umfangreiches Computerprogramm. Während herkömmliche Beweise den Mathematikern beim Verstehen noch ein Aha-Erlebnis bescherten, so ist das im Falle der Keplervermutung anders. Der Computer führt selbsttätig eine unüberschaubar große Anzahl an Fallunterscheidungen durch, ein Mathematiker kann da nur noch die Vollzugsmeldung zur Kenntnis nehmen und die Richtigkeit des Programms überprüfen. Selbst wenn sich noch eine Lücke im Beweis auftun sollte – die Richtigkeit der Vermutung steht seit je außer Zweifel; fragen Sie ihren Obsthändler...

JOHANNES LENHARD

Süddeutsche Zeitung vom Okt. 1998

 
*) jetzt unter http://www.mathematics.pitt.edu/person/thomas-hales

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)