3.3 Experimentelle Messung von Diffusionsphänomenen

3.3.1 Auswahl einiger Verfahren

Dieses Kapitel ist im englischen Skript ausführlicher!
Standardmethode
Messung des Konzentrationsprofils des diffundierenden Teilchens, daraus (durch Lösung der zugehörigen Differentialgleichungen der Fickschen Gesetze) Ermittlung des Diffusionskoeffizienten.
Probleme: Geht nur bei meßbaren Profilen, daraus folgen zwei Bedingungen.
  1. Viele Sprünge erforderlich, also Diffusion nur bei "hohen" Temperaturen möglich
  2. Wie mißt man die Konzentration von z.B. Leerstellen, Eigen-Zwischengitteratomen, oder überhaupt der Eigenatome die gesprungen sind bei der Selbst-Diffusion; insbesondere bei sehr kleinen Konzentrationen?

Tracermethoden

Die Antwort insbesondere auf die 2. Frage liegt in "Tracer" - Methoden. Die interessierten Atome werden markiert, indem man ein radioaktives Isotop verwendet. Bei geeigneten Halbwertszeiten sind minimalste Konzentrationen nachweisbar, da jeder einzelne Zerfall meßtechnisch erfaßt werden kann.
Grundsätzliche Durchführung eines Tracer-Experiments
Aufbringen einer dünnen Schicht des zu untersuchenden Stoffes (durch Dünnschichtverfahren (Aufdampfen, Sputtern, Sol-Gel, ...)) auf die (saubere) Oberfläche des Kristalls.
Tempern bei der gewünschten Diffusionstemperatur für eine bestimmte Zeitdauer.
Stufenweises Abtragen des Kristalls (idealerweise Atomlage um Atomlage; z.B. durch Sputtern, anodische Oxidation und Ätzung, Ultramikritom,..).
Messung der Radioaktivität jeder einzelnen Schicht.
Daraus, über die bekannte Halbwertszeit und die bekannte Meßzeit, Berechnung der Zahl der in der Schicht vorhandenen Tracer Atome, daraus Konzentrationsprofil.
Aus Konzentrationsprofil und Standardlösungen der Diffusionsgleichungen folgt der Diffusionskoeffizient bei einerTemperatur.
Wiederholung des Experiments bei einer anderen Temperatur.
Aus Arrhenius-Darstellung von D(T) folgt D* und Aktivierungsenthalpie.
Grundsätzliches Problem bei Tracerexperimenten
Der Tracer-Diffusionskoeffizient ist (bei Experimenten zur Selbstdiffusion) nicht notwendigerweise der Diffusionskoeffizient der interessierenden Teilchen (Alle Gitteratome, Zwischengitteratome, Leerstellen, Doppel-Leerstellen, ...). Dies liegt daran, daß z.B. bei einem einfachen Leerstellenmechanismus, die Sprünge des Traceratoms und die der Leerstelle korrelliert sein können. Dies bedeutet, daß zwar die Leerstelle völlig statistisch wandert - jeder Sprung trägt zum mittleren Verschiebungsquadrat bei - nicht jedoch das Traceratom.
Beispiel: Einfacher Leerstellen-Mechanismus
Traceratom undLeerstelle geht über in
Durch den Sprung der Leerstelle von 7 nach 6 ist das Traceratom von 6 nach 7 gehüpft, wo es jetzt sitzt. Während nun die Leerstelle in ihrem nächsten Sprung mit gleicher Wahrscheinlicheit auf einen der 6 umliegenden Plätze springt, wird das Traceratom mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder auf Platz 6 springen als auf einen der anderen Plätze. Denn dort sitzt ja noch eine Leerstelle; für alle anderen Plätze muß erst gewartet werden bis ein Leerstelle dort auftaucht. Der bevorzugte Rücksprung verfälscht die Berechnung des mittleren Verschiebungsquadrats, da Sprünge mit nachfolgendem Rücksprung nicht beitragen.
Die Korrelationseffekte werden durch denKorrelationskoeffizienten f berücksichtigt, der für den betrachteten Mechanismus angegeben wird.
Beim einfachen Fall einer Selbstdiffusion über einen Einfach-Leerstellen-Mechanismus ist f1V durch die Geometrie bestimmt; in guter Näherung gilt
f1V = 1 - 2/z mit z  = Zahl nächster Nachbarn.
Für die Diffusionskoeffizienten gilt dann
D1V(T) = über Tracerexperiment ermittelter Diffusionskoeffizient der Leerstelle
 = f1V D1V(SD)mit D1V(SD) =  Diffusionskoeffizient der Selbstdiffusion
Der Korrelationskoeffizient ist - bei bekanntem Mechanismus - berechenbar, und - wenn auch nur selten und mit Mühe - auch meßbar.
Die Korrelationseffekte bei Fremdatomen, die über einen Leerstellenmechanismus diffundieren, oder für andere Mechanismen können komplizierter sein.
Bei einer Wechselwirkung zwischen Leerstelle und Fremdatom springt jetzt auch die Leerstelle nicht mehr rein statistisch
Beim kick-out Mechanismus wird das Tracer Atom schnell unbeweglich im Gitter liegen, dafür diffundiert das herausgekickte Atom.
Beispiele für Korrelationskoeffizienten bei einfachem Leerstellenmechanismen (nach Seeger):
Gitterart KO - Zahl z f1V=1 - 2/z f1V Korrekt
Eindim. Kette 2 0 0
Zweidim. Gitter      
hexagonale Kugelpackg. 6 0.6666 0,56006
quadratisch 4 0,5 0,46694
Dreidim. Gitter      
kub. primitiv 6 0,6666 0,65311
Diamant 4 0,5 0,5
bcc 8 0,75 0,72722
fcc 12 0,83 0,78146

Andere Methoden für Messungen von Diffusionsparametern

Es gibt sehr viele Methoden, einige werden in der Analytik I und II behandelt. Hier stichwortartig eine Auswahl.
Direkte Messung der Konzentrationsprofile eindiffundierter Fremdatome mit
SIMS (Secondary Ion Mass Spectroscopy)
RBS ( Rutherford Backscattering)
C(U) (und Tiefe) (Kapazitäts-Spannungsmessung (gibt bei Halbleitern Ladungsrägerdichte und damit Dichte der (elektrisch aktiven) Dotierelemente)
Lokale Messungen aus der Wachstumskinetik von größeren Defekten, z.B.
Wachstum von Ausscheidungen, Stapelfehlern, etc
Diffusionshöfe um Korngrenzen
Abbildung Diffusionshöfe sichtbar gemacht im ELYMAT
Ausheilversuche. Hier werden atomare Fehlstellen, die man "irgendwie" in hohen Konzentrationen eingefroren (=unbeweglich festgehalten) hat, durch langsames Erwärmen beweglich gemacht. Da sie verschwinden, oder zumindest agglomerieren wollen, kann man die Ausheilkinetik durch die Messung einer geeigneten, mit atomaren fehlstellen korrelierten Größe, bestimmen.
Das klassische Experiment erzeugt atomare Fehlstellen durch "schonende" Bestrahlung mit Elektronen bei tiefen T - erzeugt werden enge Frenkel Paare. Man heilt dann eine definierte Zeit bei einer bestimmten Temperatur aus, und mißt dann (immer bei tiefer Temperatur) den Restwiderstand.
Eine klassische Ausheilkurve sieht ungefähr wie folgt aus
Das Problem ist die Interpretation der Stufen durch eine Ausheilreaktion.
Methoden, die einzelne Sprünge erfassen
Geht dann, wenn die atomaren Fehlstellen eine niedrige Symmetrie haben - Beispiele: die Hantelform des Zwischengitteratoms., oder Cin Fe (klassischer Snoek Effekt).
Klassisches Experiment: Material elastisch in einer Richtung verformen (nicht zu kleine T; oder lange warten). Effekt: Alle Hanteln orientieren sich in die Zugachse, die C-Atome sitzen bevorzugt in einer der drei möglichen Lagen.
Die Spannung wird plötzlich weggenommen: Außer einer unmittelbar folgenden elastischen Komponente erfolgt jetzt noch eine langsam abklingende T-abhängige Relaxation durch die Rückorientiereung der atomaren Fehlstellen. In der Zeitkonstanten steckt die Sprungfrequenz.
Es existieren unzählige Varianten, insbesondere mit periodischer Anregung
Weiterhin gibt es Methoden, die auf der Zerstörung oder Errichtung einer inneren Ordnung durch Diffusion beruhen; z.b. die Ausrichtung, bzw. der Zerfall einer Ausrichtung von (Kern)spins im Magnetfeld. Der Nachweis erfolgt dann beispielsweise mit NMR (Nuclear Magnetic Resonance).

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