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Der Mensch unterscheidet sich - unter anderem - vom Tier durch
den Gebrauch von Werkzeugen, die er sich selbst hergestellt hat. Dabei kann man
annehmen, daß lange bevor er Feuerstein bearbeitete, andere Materialien,
die sich nicht so gut erhalten, in Gebrauch waren, z.B. Holz, Knochen oder
Fell. Wie auch immer, die Auswahl und Bearbeitung von natürlichen
Materialien, um sie als Werkzeug für bestimmte Zwecke zu benutzen (auch
Kleidung ist in diesem Sinn ein Werkzeug), markiert (vielleicht zusammen mit
der Astronomie) den Beginn der Menschheit, der Zivilisation und der
Wissenschaft: Es wurde Wissen geschaffen - durch Versuch und Irrtum - und an
andere Menschen weitergegeben. |
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Die Beherrschung des Steins - oder wie wir als Materialwissenschaftler
sagen würden - der natürlichen Keramiken - war der Auftakt zu den
ersten Hochkulturen. Die Pyramiden wurden praktisch ohne Metalle gebaut! |
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Der Durchbruch kam mit den Metallen; erst Kupfer, dann Bronze,
schließlich Eisen und Stahl. Die Römer wären ohne Metalle nicht
denkbar; ob ihre Überlegenheit auch auf überlegener Technik beruhte,
kann man sich getrost mal fragen. |
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Bergleute und Schmiede hatten in allen Kulturen eine Sonderstellung - nicht
unbedingt eine gehobene Stellung - aber doch den Hauch von etwas Besonderem,
etwas Geheimnisvollem. |
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Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hatte man die Beherrschung der
Metalle soweit gelernt, daß man Schlachtschiffe, gigantische
Brücken, den Eiffelturm, oder auch komplizierte Taschenuhren bauen konnte.
Aber verstanden, warum Metalle sich so verhalten wie sie es tun, und warum sie
ihre Eigenschaften durch "Schmieden"stark ändern können,
verstanden hatte man das alles nicht - es war nach wie vor eine
"Kunst". |
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Das Bild unseres Schmieds hier stammt aus dem Jahr 1998 - der
nette alte Herr ist noch aktiv. (Er sieht, am Rande bemerkt, aus wie der
Schmied, der gegenüber von meinem Elternhaus in den 50er und 60er Jahren
auf seinem Amboß herumklopfte. Auch mein Großvater, der Schmied
war, hat nicht viel anders ausgesehen). Er sieht nicht gerade so aus, wie man
sich Siegfried vorstellt, aber in Mimes Schmiede (bei Wagner nachlesen), sah es
nicht viel anders aus als bei unserem Zeitgenossen. |
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Nach dem 2. Weltkrieg (sonst wäre es schon früher
passiert) sollte sich das alles ändern. Seit ca. 1930 weiß man, was
im Inneren eines Metalls passiert wenn man darauf herumklopft, und warum sich
die Eigenschaften dabei ändern. Nach einer Phase, die das neue Wissen
nutzte um nachträglich das Altbekannte zu verstehen und zu verbessern,
sind wir jetzt zunehmend in einer Phase der Synthese, d.h. wir probieren nicht
mehr alles mögliche aus um einen neuen metallischen Werkstoff zu finden,
sondern wir überlegen uns, gewappnet mit dem Fundamentalwissen das wir
jetzt haben, vorher, was wir zusammenlegieren um einen neuen Werkstoff
mit bestimmten Egenschaften zu bekommen. |
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Aber nun zum "Siegfried": Im
Wagnerschen "Ring des Nibelungen", wie in vielen anderen
Großwerken der Literatur, hat ein Schwert (manchmal auch ein Ring)
mystische Bedeutung: |
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Siegfrieds Schwert - es hatte wie alle berühmten Schwerter einen Namen
und hieß "Notung" - stammt vom
Göttervater Wotan persönlich. Siegfrieds Vater Siegmund erwirbt es
per "Schwertprobe" (rausziehen aus einer Esche; gelingt nur dem
Auserwählten (erinnert uns das an was?)). |
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Leider wird Siegmund seines Besitzes nicht froh, denn Notung zerbricht im
Kampf mit Hunding. Der Grund für den Bruch ist, daß der
Götter-CEO Wotan von seiner Gemahlin Fricka (die sich
ganz im Stil einer frühen Frauenbeauftragten aufführt - die
entsprechende Passage ist dementsprechend zwar hochdramatisch aber seltsam
öde), genötigt wird, Hunding siegen zu lassen um die "Ehre der
Ehefrau und der Familie" zu schützen. Siegmund hatte es nämlich
auf Hundings Weib (Sieglinde) abgesehen (die zufällig auch noch seine
Schwester ist), was zwar im Sinne Wotans, aber nicht Frickas war. |
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Merke: es brauchte einen Obergott, damit das Schwert bricht - so genau hat
man den Bruch damals noch nicht verstanden. |
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Der junge Siegfried, der Sohn Siegmunds und Sieglindes (soviel. Zeit war
noch ("Braut und Schwester bist du dem Bruder, so blühe nun,
Wälsungen-Blut!")), wächst bei dem zweideutigen Zwerg Mime auf,
der zwar Tarnkappen und dergl. schmieden kann, aber die Stücke des
Götterschwertes nicht zusammenbringt. Das macht Siegfried dann
persönlich unter brausendem Gesang ("Schmiede mein Hammer, mein
Hammer schmiede" oder "Notung, Notung, neidliches Schwert") und
allerlei Herumgehüpf. Das Schöne daran ist, daß wenn der
Regisseur sich so halbwegs an Wagners Regieanweisungen hält, Siegfried
wirklich fast alle wesentlichen Arbeitsabläufe des Schmiedens
durchführt: Abschrecken, Anlassen, Heiß- und Kaltverformung. Mit
Notung bewaffnet macht er dann dem armen Drachen Fafner (der früher mal
ein Riese war, dann aber zum Kapitalisten-Drachen mutierte ("Ich lieg und
besitz")) ohne besonderen Grund den Garaus. Obwohl vom Kämpfen und
Singen etwas ermüdet, befördert er gleich drauf auch seinen Ziehvater
Mime ins Jenseits - unter dem Vorwand eines schlecht gebrauten Tranks,
sozusagen wg. Verletzung des Reinheitsgebots! |
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Er vollbringt noch die eine oder andere Heldentat, insbesondere erweckt er
Brünnhilde (das Schärfste, was die nordische Antike damals zu bieten
hatte) aus ihren Dauerschlaf. Brünnhilde, eine Tochter Wotans (aber nicht
Frickas!), wurde von Wotan seinerzeit in Tiefschlaf versetzt (ähnlich wie
bei Dornröschens), weil sie entgegen seiner Weisung im Kampf Hunding -
Siegmund dem Siegmund (ihrem Halbbruder) helfen wollte. Daß
Brünnhilde damit Siegfried sowohl Geliebte als auch Tante ist,
überrascht bei der erblichen Vorbelastung niemand mehr. Mit
Brünnhildes Hilfe überwindet Siegfried seine pubertären
Phantasien - und wieder mal blüht Wälsungen-Blut. Notung, bis dahin
sein Phallussymbol (Golf GTIs gab es noch nicht), braucht er jetzt nicht mehr,
oder nur noch einmal, als er später nämlich Brünnhilde für
König Gunther heimholt (er hat sie zwischenzeitlich vergessen und stimmte
ihrem Recycling zu). Denn damals war es üblich, daß der Held dann
sein treues zweischneidiges Schwert im (geteilten) Bett zwischen sich und der
Dame ausstreckte (safer sex war noch nicht erfunden). |
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Als ihn Hagen (der Sohn des Alberichs, eines Bruders Mimes, der seinerzeit
ersatzweise den Rheintöchtern das Rheingold geklaut hat (eigentlich wollte
er ihnen die Unschuld rauben) und damit das ganze Schlamassel startete) dann
von hinten meuchelt (mit einem Speer), geht die Welt dann auch relativ
zügig unter (Brünnhilde singt dazu); denn viel Optionen gibt es nicht
mehr. |
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Wir lernen daraus: Wenn man nichts genaues über die
Bruchfestigkeit von geschmiedeten Stählen weiß, sollte man Vorsicht
walten lassen; zumindest sich aber nicht mit Frauenbeauftragten anlegen. Denn
eins führt zum andern; zum Schluß geht die Welt unter. |
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Wir lernen weiterhin: Die Beherrschung der Metallurgie -
symbolisiert durch den Besitz des magischen Schwerts aus Stahl - ist ein
zentrales Thema in vielen Mythen quer durch die Völker. Denn
Schwerthanseln wie Siegfried gibt es zuhauf in den Märchen und Sagen der
Völker. |
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Und wir nehmen noch zur Kenntnis: Auch schon früher gab es
dynamische Action-Stories mit ziemlich unwahrscheinlichen Handlungen. Und die
Musik ist trotz hohem Alters viel besser als der Soundtrack zu "Star
Wars" (und selbst ohne Megasound stellenweise genauso laut). |
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