 | Wir werden jetzt relativ zügig vorgehen, da wir das meiste, was jetzt kommt,
schon zweimal gemacht haben! |
|  |
Die thermische Energie (kBT)RT
bei Raumtemperatur war im Mittel 1/40 eV. Das heißt
aber auch, daß sie hin und wieder lokal viel höher
sein wird. Insbesondere wird sie gelegentlich hoch genug sein, um ein Elektron aus dem Valenzband
des Si über die Energielücke von 1,12 eV ins Leitungsband zu heben.
Dort hat's genügend freie Plätze; ein Elektron darf
da hin! |
|  | Wie
man sich das mit realen Atomen so vorstellen kann, ist im Link
gezeigt. |
 | Wir ventilieren
jetzt ganz offenbar die Frage, wieviele der Plätze
(= Zustände) im Leitungsband bei der Temperatur T besetzt
sind. Die Antwort darauf gibt immer dieselbe Fundamentalformel: |
| | Dichte der Elektronen bei Energie E = Zahl der vorhandenen Plätze (= Zustandsdichte D(E)) mal Wahrscheinlichkeit der Besetzung (= f(E): Wert der Fermiverteilung bei E).
Gesamtzahl durch Aufsummieren = Integrieren. | |
|  |
Weil die Zustandsdichte jedes Materials nahezu unveränderlich
ist, ergibt sich die tatsächliche Besetzung der Plätze aus der Fermiverteilung.
Also machen wir erst mal eine kurze Wiederholung der Eigenschaften von f(E);
was folgt, muß jetzt im Schlaf beherrscht werden! |
|
| |
| | |
 |
Der Einfachheit halber werden wir mit effektiver
Zustandsdichte und Boltzmann-Näherung
arbeiten. Wir haben also für die Dichte der Elektronen im Leitungsband: |
| |
ne |
= | ¥
ó õ EL |
D(E) · | f(E;
EF, T) · dE | |
| | |
| | | » |
Neff | ·
exp(– | EL
– EF kBT |
) |
| |
|  |
Die untere Gleichung definiert
die effektive Zustandsdichte Neff. |
 |
Das bedeutet erstmal, daß die Dichte der Elektronen
im Leitungsband mindestens exponentiell mit der Temperatur ansteigt.
In einem Arrhenius-Diagramm,
das wir für solche Funktionen grundsätzlich nehmen (auch wenn der Vorfaktor Neff
noch temperaturabhängig ist), sieht das wie unten gezeigt aus. |
|  |
Dabei ist eine noch bessere Näherung aufgetragen,
bei der die rechnerische
Temperaturabhängigkeit der eff. Zustandsdichte in der Form Neff
= Neff* · T3/2 berücksichtigt ist.
Warum in den Boltzmannfaktoren der Gleichungen in der Graphik die Energie der halben Bandlücke
steht, wird sich uns gleich noch erschließen. |
|
| |
 | Das können wir nachrechnen – wir brauchen dazu nur die effektive Zustandsdichte
Neff und die Fermienergie EF. |
|  | Kein Problem.
Für Neff haben wir Zahlen, und für die Fermienergie EF haben
wir uns auch schon mal überlegt, daß sie in der Mitte
der Bandlücke liegt. Wir schauen uns das gleich noch mal genauer an. |
|  | Bei Raumtemperatur
haben wir damit immerhin ne = 2,4 · 1019 cm–3
. exp[–1,12 eV/(2 · 0,025 eV)] = 6,6 · 109 cm–3
bewegliche Elektronen im Leitungsband (wir wissen selbstverständlich: Bandlücke
von Si = 1,12 eV; (kBT)RT = 1/40 eV; atomare Dichte
= 5 · 1022 cm–3). Die Kurve ist oben gezeigt, sie
liegt vor allem bei RT relativ zu der besseren Näherung nicht so schlecht. |
| Damit können wir uns erste Gedanken über
die spez.
Leitfähigkeit s = e · nL ·
mL der Elektronen im Leitungsband machen. |
|  | Fragt sich nur,
was die Elektronen im Valenzband jetzt tun. Es ist ja
nicht mehr voll gefüllt
und damit "isolierend", denn wir haben jetzt genaus so viel freie Plätze, wie
wir Elektronen im Leitungsband haben. |
|  |
Aha! Alles klar? Falls wir
die Leitfähigkeit eines Stücks Si wissen wollen, müssen wir auch die
Leitfähigkeit im Valenzband betrachten! |
| | |
| Löcher und die
spezifische Leitfähigkeit des Valenzbandes |
| |
 |
Ein voll besetztes
Valenzband hat die Leitfähigkeit Null. So viel ist
sicher. |
|  | Das
Valenzband ist aber nicht mehr voll besetzt, falls Elektronen im Leitungsband sitzen. Für
jedes Elektron im Leitungsband fehlt eines im Valenzband; wir haben die freien Plätze
bereits früher Löcher genannt. |
|  |
Das bedeutet jetzt aber, daß für jedes Elektron im
Leitungsband jetzt auch genau ein Elektron im Valenzband seinen Zustand ändern kann,
indem es in ein benachbartes Loch "springt". |
 | Wir werden den "Löchern" noch oft begegnen und uns
an sie gewöhnen, hier nehmen wir einfach zur Kenntnis, daß es auch im Valenzband
genau nh = ne Ladungsträger gibt, die auf
äußere Kräfte reagieren können. |
|
 |
Ob wir diese Ladungsträger
"negativ geladene Elektronen, die in ein Loch hüpfen können
" nennen oder "positiv geladene Löcher",
ist Geschmackssache. |
|
 | Da Geschmäcker verschieden sind, gibt es auch Leute, die zu Löchern
Defektelektronen sagen. |
|  |
Ob wir dann sagen, daß sich unter dem Einfluß eines elektrischen
Feldes eine ganze Kaskade von Elektronen bewegt, also ein ganzes irgendwie korreliertes Ensemble
von (negativ geladenen) Elektronen, die via Löcher zum Pluspol laufen,
oder individuelle positiv geladene Löcher zum Minuspol, ist ebenfalls Geschmackssache. |
 |
In vornehmen Kreisen ist unbestritten, daß
guter Geschmack die unauffällige Eleganz präferiert, das scheinbar Einfache. Das
sind hier ganz klar die Löcher. Wir werden also ab sofort folgende Aussage verinnerlichen
und anwenden: |
| |
Die
freien Plätze im Valenzband heißen Löcher. Löcher benehmen sich
im Kristall für alle praktischen Zwecke wie positiv geladene Elektronen. | |
 |
Damit ist klar: Die Leitfähigkeit
des Valenzbandes sV ist in intrinsischen Halbleitern
ungefähr gleich groß wie sL, die Leitfähigkeit
im Leitungsband. Die gesamte Leitfähigkeit s des intrinsischen Halbleiterkristalls wird damit |
| |
s = se +
sh = e · me
· ne + e · mh · nh
» 2sL |
| |
 | Nochmal: Obwohl sie so heißen, als ob dort etwas nicht ist, darf man ein
Loch als eine Art positiv geladenes Elektron betrachten. (Aber Vorsicht – das macht
Löcher nicht zu Positronen!) |
|  | In
voller Schönheit betrachtet, sind Löcher keine "echten" Teilchen, sondern
Quasiteilchen: Ein Quasiteilchen ist ein
kollektiver Anregungszustand in einem System aus vielen, miteinander wechselwirkenden
Teilchen; im Fall der Löcher sind das die Elektronen im Valenzband. (Das ist übrigens
der tiefere Grund, warum es Löcher nur im Valenzband gibt!) |
|  | Aber: Während Elektronen, wenn sie können, energetisch tiefer
sinken, steigen Löcher auf – wie Luftblasen im Wasser! |
| | |
| Dichte der Löcher im Valenzband |
| |
 |
Nachdem wir jetzt die Dichte der Elektronen im Leitungsband
kennen, geht es nun um die Frage, wie groß nh ist, die Dichte
der Löcher im Valenzband. |
|  | Die Antwort ist natürlich sehr einfach: Genauso
groß wie die Dichte der Elektronen im Leitungsband, denn für jedes Elektron im
Leitungsband ist ja genau ein Loch im Valenzband entstanden. |
 |
Nun stellen wir uns aber kurz mal unwissend und
fragen, wie man nV ausrechnen würde,
falls man nL nicht schon kennt. Die Antwort lautet natürlich
so: |
| |
Dichte der Löcher
bei Energie E = Zahl der vorhandenen Plätze
(= Zustandsdichte D(E)) mal Wahrscheinlichkeit
der Nichtbesetzung (= 1 – f(
E)). Gesamtzahl durch Aufsummieren = Integrieren. | |
|  | In
Formeln analog zu denen der Elektronen erhalten wir: |
|
|
n
h | = | EV
ó õ –¥
| D(E) · [1 – f(E; EF
, T)] · dE | | | |
| | | | »
| | Neff · exp ( – |
EF – EV
kBT | ) |
| |
 | Damit
haben wir relativ einfache (Näherungs-)Formeln für die beiden Ladungsträgerdichten. |
|  | Allerdings
müssen wir, um Zahlenwerte zu erhalten, noch den Wert der Fermienergie EF
bestimmen. |
| |
|
|
Massenwirkungsgesetz
und Lage der Fermienergie |
|
|
 | Für die bisher betrachteten perfekten
Halbleiterkristalle stammen alle Elektronen des Leitungsband
aus dem Valenzband. Für diese perfekten Halbleiter, die wir ab jetzt intrinsische Halbleiter nennen wollen, gilt also: |
| |
|
|  | Die offenbar materialspezifische
Ladungsträgerdichte ni nennen wir die intrinsische Ladungsträgerdichte. |
|  | Intrinsische
Ladungsträgerdichten sind temperaturabhängige Materialparameter;
hier sind mal ein paar (im Zweifel gemessene) Werte für
Raumtemperatur (RT): |
| |
Halbleiter |
Ge | Si | GaAs |
GaP | C (Diamant) | Energielücke (in eV) | 0,661 | 1,12 | 1,424 | 2,26 |
» 5,5 | ni(RT)
(in cm–3 ) | 2 · 1013 | 1
· 1010 | 2,1 · 106 | 2 |
» 10–27 |
|
|  | Wir
sehen daran, daß bei einer gegebenen Temperatur die intrinsische
Ladungsträgerdichte ni exponentiell von der Energielücke Eg abhängt: Je
größer Eg, desto geringer ni.
|
|  | Das
ist insofern "logisch", weil die Ladungsträger ja die Energielücke überwinden
müssen, und die Wahrscheinlichkeit, daß das rein thermisch klappt, wird um so geringer,
je größer der Sprung ist. |
|  |
Was wir uns spätestens jetzt ganz fest merken: |
| |
Energielücke im Si = 1,12 eV
» 1 eV. | |
 |
Mit den beiden allgemeinen Gleichungen für
die beiden Ladungsträgerdichten von oben (und mit bekannten eff. Zustandsdichten) kann
man natürlich auch ni auch ausrechnen
. Vorher müssen wir aber die Lage der Fermienergie bestimmen. |
| | |
 |
Mit der obigen Formel
haben wir die Dichte der Löcher im Valenzband auch vollkommen unabhängig von unserem
Vorwissen, daß diese in perfekten (= intrinsischen) Halbleitern gleich der Dichte der
Elektronen im Leitungsband ist. Damit können wir zwei sehr wichtige Schlüsse ziehen
– mit Durchführung der Rechnung in einer Übung! |
 |
1. Multipliziert man die
beiden Ladungsträgerdichten, kann man das hier gezeigte
Massenwirkungsgesetz ableiten: |
|
| |
|  | Das machen wir mal in einer Übung, die man unbedingt zumindest
anschauen sollte: |
| |
|
 |
"Massenwirkungsgesetz
" (MWG) ist keine besonders tolle Bezeichnung für obige Gleichung,
weil nicht Massen, sondern allenfalls Ladungsdichten wirken. Der Name hat historische Gründe
und bezieht sich natürlich auf das Massenwirkungsgesetz der Chemie. |
|  | Das MWG
ist eine unglaublich wichtige Gleichung! Sie erlaubt, die Ladungsträgerdichte in einem
Band sehr einfach zu berechnen, sofern man die Dichte im jeweils anderen Band kennt. Das ist
für intrinsische Halbleiter zwar trivial, aber nicht mehr für die sehr viel wichtigeren
dotierten Halbleiter! |
 |
2. Die bislang noch "unbekannte"
Fermienergie EF hat man aus der Übung erhalten durch Gleichsetzen
der beiden Ladungsträgerdichten. |
|
 |
Das Ergebnis war, wie
erwartet: |
| |
|
|  | Schaut
man die Formel lange genug an, stellt man fest, daß die Fermienergie genau in der Mitter
der Energielücke liegt! |
| Man kann sich das – wie rechts gezeigt – auch graphisch klar machen:
Die beiden farbig markierten "Zwickel" der Fermiverteilung in den Bändern müssen
gleich groß sein, damit sich gleich große Ladungsträgerdichten ergeben. |
|  | Aus
Symmetriegründen liegt die Fermienergie, also die Energie, bei der f(E
= EF) = ½ ist, in der Mitte der Energielücke. |
|  | Das sollte man
sich merken, denn mit der graphischen Konstruktion werden wir später viel arbeiten. |
 |
Die entscheidende Energiebarriere in der Boltzmann-Näherung
ist damit dem Betrag nach immer ½ (EL + EV). |
|  | Damit
bekommen wir für die intrinsische
Ladungsträgerdichte ni (die Gleichungen in der Abbildung oben): |
|
nh = ne
= | ni
= | Neff
· exp ( – | EL
– EF kBT |
) = N
eff · exp ( – | 2EL – (EL + EV
) 2kBT | ) = Neff ·
exp ( – | E
g 2kBT | ) | |
|
|  | Wir
sehen also, daß bei einer gegebenen Temperatur die Energielücke
Eg und die intrinsische Ladungsträgerdichte
ni in der Tat exponentiell voneinander abhängen. |
|
 |
Wir sehen aber auch, daß ni stark
temperaturabhängig ist (siehe auch dazu die obige Abbildung). |
| | |
| Intrinsische Leitfähigkeit
|
| |
 | Zuletzt
bleibt noch die Frage nach der tatsächlichen Leitfähigkeit, die uns die intrinsische
Ladungsträgerdichte beschert. Weil ni stark temperaturabhängig
ist, gilt das folglich auch für die intrinsische Leitfähigkeit. |
|  | Die ni
-Angaben in der obigen Tabelle gelten für Raumtemperatur; verglichen mit der Ladungsträgerdichte
von Metallen, sind das eher kleine Werte. Dementsprechend klein ist auch die resultierende
Leitfähigkeit – trotz der z. T. deutlich größeren Beweglichkeit µ
von Halbleitern (weniger Kristalldefekte). Daher gilt: |
|
Die meisten intrinsischen Halbleiter
sind Isolatoren! | | |
|  |
Eine merkliche Leitfähigkeit setzt erst ein, wenn die Temperatur
so groß wird, daß sehr viele Elektronen den Sprung vom Valenz- ins Leitungsband
schaffen. Das ist der Fall, sobald die Aufweichungszone so groß ist wie die Bandlücke;
die Situation oben bei den in die Bänder hineinragenden "Zwickeln" der Fermiverteilung
ist bereits so gezeichnet. |
|  | Diese Situation bekommt einen eigenen Namen: Es handelt sich um
den Fall der Eigenleitung. In Formeln gilt: Eigenleitung
setzt voraus, daß |
| |
|  | Frage
an alle: Ab welcher Temperatur tritt bei Silizium Eigenleitung auf? – Wer diese Frage
richtig beantwortet (dafür genügt bereits eine einfache Überschlagsrechnung
im Kopf), versteht sofort, vor was für einem großen Problem man bei der Nutzung
von Halbleitern steht, bzw. warum man um das Dotieren von Halbleitern nicht herumkommt. |
| | |
© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)