 | Als wir uns im Zusammenhang mit "Random
Walk" mit Besoffenen beschäftigt haben, kam der Begriff der Lebensdauer zum erstem Mal hoch. |
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Das war die Zeit, die zwischen Beginn des "random walk" lag (Start = Generation des statistisch herumirrenden Teilchens; z. B. Verlassen
der Kneipe) und dem Ende (z. B. durch Aufgelesen werden von der Polizei). Das setzen wir jetzt
um auf unsere Elektronen und Löcher. |
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Dazu haben wir zunächst den Elementarprozeß der Erzeugung
oder der Generation eines Elektron-Loch-Paares,
der darauf folgenden Wanderung durch das Kirstallgitter und der dann nach einer (mittleren)
Zeit t, die wir Lebensdauer
genannt haben, erfolgenden Wiedervereinigung von Loch und Elektron; einen Prozeß,
den wir Rekombination nennen. |
|  | Generation und Rekombination
sind neben der Dotierung der Schlüssel zur Halbleiterphysik
und -technik; wir müssen uns damit befassen. |
 | Wir betrachten das mal im Banddiagramm. Wir führen dazu eine Bildbetrachtung
durch und interpretieren den unten gezeigten Lebenslauf einer Minorität in einem p-Typ
-Halbleiter. |
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Aus einer eingehenden Kontemplation dieses Bildes
lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: |
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1. Es enthält redundante
Information. Sowohl die Lage der Fermienergie als auch die symbolisch eingezeichneten
Majoritätsladungsträger "Löcher" als auch die Beschriftung sagen
alle dasselbe: Wir haben einen p-Typ-Halbleiter vor uns. |
|  | 2.
Das Verhältnis Majoritäten : Minoritäten ist ungefähr 4 : 1. Damit
hätten wir nur eine sehr schwache Dotierung. Es liegt damit nahe, daß der Künstler
die Zahl der Löcher und Elektronen symbolisch meint.
Denn ein realistisches Verhältnis von z. B. 1.000.000 : 1 ist in dieser Kunstform
offenbar nicht darstellbar. |
|  | 3. Im linken Bereich ist ein Generationsereignis
zu sehen. Während der neu erzeugte Minoritätsladungsträger – das
Elektron – eindeutig zu identifizieren ist, bleibt
der zugehörige Majoritätsladungsträger "Loch" anonym, er ist in der
Masse der anderen Löcher nicht zu identifizieren. Der Künstler will wohl einen Hinweis
darauf geben, daß sich bei der Generation eines Ladungsträgerpaars bei den Majoritäten so gut wie nichts ändert, während bei
den Minoritäten die Änderungen deutlich spürbar
sind. |
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4. Im Zentrum des Bildes folgen wir dem Schicksal des frisch generierten
Minoritätsladungsträger. Nachdem er sich eine Länge L
von seinem Geburtsort entfernt hat, geht er durch Rekombination
wieder ins Nirwana ein – das Elektron ist (im Leitungsband) spurlos weg. Wiederum fehlt
jeder Hinweis auf den Rekombinationspartner aus der Masse der Löcher. Darüber hinaus
ist der dreidimensionale "random walk" in minimalistischen Manier auf einen Pfeil
reduziert. |
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5. Es läßt sich noch ein letzter Hinweis auf die Vorgänge in und zwischen
den Bändern finden: Alle Minoritäten (und auch
die Majoritäten) sind sich völlig gleich – wir sehen rote Kreise, die für
sich genommen völlig ununterscheidbar sind. |
| Soviel Information steckt in einem simplen Banddiagramm man
muß sie nur zu interpretieren wissen! Nüchtern betrachtet, nehmen wir jetzt folgende
Punkte zur Kenntnis: |
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1. Ganz offensichtlich ist das, was sich bei den Minoritäten
abspielt, viel wichtiger als die Vorgänge bei den Majoritäten. Denn jede Änderung
bei Ladungsträgerkonzentrationen bewirkt bei den Minoritäten immer sehr viel größere
Abweichungen vom Gleichgewicht als bei den Majoritäten. Und es sind immer die Abweichung
vom Gleichgewicht, die Reaktionen aller Art antreiben! |
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| 2. Obwohl wir bisher immer nur
einen Generationsvorgang mit anschließender Rekombination
betrachtet haben, sollte uns doch klar sein, daß, wenn ein
wie auch immer generiertes Elektron nach einer Zeit t rekombiniert,
solches dann notwendigerweise analog für alle Elektronen
gilt! Denn alle Elektronen sind gleich und keine sind
gleicher! |
 | Damit würden
praktisch alle Minoritätsladungsträger nach
ein paar Lebensdauern t verschwunden sein (denn die "Abbaurate"
folgt natürlich dem allgemeinen Gesetz zum Zerfall
angeregter Zustände ). Die Rekombinationsrate R, d.h. die Zahl der pro Sekunde
(und cm –3) rekombinierenden Minoritätsladungsträger, ist
damit einfach |
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|  | Zeit für
eine kleine Übung |
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Da aber im Gleichgewicht
die Konzentration aller Ladungsträger konstant ist, können wir eine erste, sehr
wichtige Schlußfolgerung ziehen: |
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Im Gleichgewicht ist die Generationsrate G, d.h.
die Zahl der pro Sekunde (und cm –3) generierten Minoritätsladungsträger,
genau gleich groß wie die Rekombinationsrate, d.h. |
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|  | Das
läßt sich leicht verstehen: Wenn von einem Bankkonto ein bestimmter Betrag pro
Zeiteinheit abgehoben wird z.B 1 pro Tag oder 1 000 000 pro
Tag –, dann wird der Kontostand (im Mittel) nur dann konstant bleiben (im Mittel),
wenn genausoviel Geld pro Zeiteinheit überwiesen wird. |
|  |
Das Beispiel paßt genau! Und es sagt uns darüberhinaus
ganz plastisch, daß aus der Größe der Ab- und Zuflüsse kein wie auch
immer gearteter Schluß auf den Kontostand gezogen
werden kann, wie auch umgekehrt ein wie auch immer gearteter unveränderter Kontostand
nichts über die Höhe der Zu- und Abflüsse
aussagt. |
 | Damit
haben wir im (nur so rumliegenden) Halbleiter nicht nur ein Gleichgewicht
, wir haben immer ein dynamisches
Gleichgewicht. |
|  | Jeder Minoritätsladungsträger wird irgendwann
(und irgendwo) generiert, läuft (im Mittel) eine Diffusionslänge durch den Kristall
und verschwindet dann wieder durch Rekombination. |
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Das gilt natürlich im Prinzip auch für die Majoritätsladungsträger.
Von denen ist aber die weitaus überwiegende Anzahl im (dynamischen) Gleichgewicht mit
den Dotieratomen, und die paar, die sich mit Minoritäten
abgeben, spielen für die Gesamtanzahl keine Rolle. |
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Lebensdauer, Diffusionslänge und Beweglichkeit |
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Schauen wir uns das Ganze noch etwas genauer an.
Wir wiederholen obige Aussage mal etwas ausführlicher: |
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Jeder Minoritätsladungsträger wird generiert
und läuft dann (im Mittel) eine Diffusionslänge
L durch den Kristall. Dazu braucht er (im Mittel) die Zeit t
, die wir ab jetzt Minoritätsladungsträgerlebensdauer
oder kurz Lebensdauer
nennen, und verschwindet dann wieder durch Rekombination. |
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Der Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Diffusionslänge
ist dabei wie bei jedem "Random
walk" durch die folgende Beziehung gegeben: |
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L = (D · t )½ = ( µkB
T/e · t)½ |
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D ist dabei der Diffusionskoeffizient der Elektronen oder Löcher,
den wir über die Einstein-Smoluchowski-Beziehung
auch durch die Beweglichkeit µ ausdrücken können. |
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Den Diffusionskoeffizienten
der Elektronen oder Löcher haben wir schon mal kurz kennengelernt, er ist einfach mit den Stößen und damit
mit dem "Random Walk" gekoppelt. |
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Da wir µ jetzt kennen
, kennen wir jetzt auch D. Damit können wir bei Kenntnis von L
oder t die jeweils andere
Größe berechnen. |
|  | Es bleibt noch, eine etwas quantitativere Vorstellung davon zu bekommen,
wie groß L oder t in einem gegebenen
Material sein wird. |
 | Hier
kommt jetzt etwas vollständig Neues: Es gibt bezüglich dieser Frage zwei Sorten
von Halbleitern: |
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Direkte Halbleiter: L und t sind klein (ungefähr ns / µm) Bei der Rekombination
eines Elektron-Loch-Paares entsteht Licht
mit hn = EG. Indirekte Halbleiter: L und t
sind groß und stark defektabhängig (ungefähr
µs...ms / 500 µm) Bei der Rekombination eines Elektron-Loch-Paares
entsteht (fast) nur Wärme. |
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Die gebräuchlichen Halbleiter
ordnen sich in diese Schema (direkt/indirekt) so ein (zur Erbauung mit noch ein paar mehr
Daten): |
Material | Si | Ge | GaAs |
InP | InSb | GaP | GaN | SiC | Diamant | Kristall | Kristallstruktur |
Dia- mant | Dia- mant |
Dia- mant | Dia- mant |
Dia- mant | Dia- mant | Wurtzit
(hex.) | viele Varianten, kub./hex./rhomb. | Dia- mant |
Gitterkonstante [nm] | 0,5431 |
0,565 | 0,565 | 0,587 |
0,648 | 0,545 | a = 0,319
c = 0,518 | a = 0,30 c viele Werte | 0,357 | Einige Zahlen zu Ladungsträgern | Energielücke [eV] | 1,12 |
0,66 | 1,42 | 1,35 | 0,17 | 2,26 | 3,4 |
2,39–3,26 | 5,47 |
Typ | indirekt | indirekt |
direkt | direkt |
direkt | indirekt |
direkt |
indirekt | indirekt | Neff in L [1018cm–3
] | 28 (32)
| 10,4 | 0,47 | 0,54 | 0,042 | | | | |
Neff in V [1018
cm-3] | 10 (18) |
6 | 7 | 2,9 | | |
| | |
ni [106cm
–3] | 6 600
13.000 | 20.000.000 | 2,2 | 5,7 | |
| | | | Beweglichkeit (undotiert) [cm2/Vs] µn
µh | 1 500
450 | 1.900 3.900 |
8.500 450 | 5.000 200 | 80.000 1.250 | 300 150 | | 500–1.000
20–50 | 200–2.200 1.800–2.100 |
Lebensdauer [µs] |
2500 | | 0,01 | 0,005 | |
| | | | Dielektrische Eigenschaften |
Dielektrizitätskons.
| 11,9 | 16 | 13,1 | 12,4 | 17,7 |
11,1
| | 9,7–10 |
5,5 | Durchbruchs-
feldstärke [kV/cm] | 300 | |
350 | 400 | | | | |
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Traurig, traurig: Unser Hauptmaterial Si ist für
die Optoelektronik nicht geeignet – es kann kein Licht rauskommen, wenn man Strom durchschickt! |
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Die Frage, die sich jetzt aufdrängt, ist klar:
Warum, o Herr, hast du zwei Sorten gemacht? |
|  | Die Antwort ist
einfach, nur die Begründung liegt weit jenseits unserer Möglickeiten. Schauen wir
uns das obige Bild noch mal für den Spezialfall der Generation per Licht in indirekten Halbleitern an. Dabei beachten wir, daß, was
immer auch passiert, der Energie- und der Impulserhaltungssatz
immer befriedigt werden. Ersteren haben wir schon mehrfach
bemüht, letzteren noch nicht. |
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|  | Bei der Generation
im obigen Beispiel ist der Energierhaltungssatz befriedigt, wenn das Photon mindestens die
Energie der Bandlücke EG mitbringt. Der Impulserhaltungssatz
ist auch ohne Probleme machbar (müssen wir einfach glauben). Das gilt bei der Generation
sowohl für direkte als auch für
indirekte Halbleiter. |
|  | Bei der Rekombination kommt der große Unterschied. In direkten Halbleitern kann sie problemlos erfolgen, sobald ein Elektron
am selben Ort auf ein Loch trifft. Die Energie geht in die Erzeugung eines Photons, und der
Impulshaltungssatz macht keine Probleme – im Gegensatz zu den indirekten Halbleitern! |
|  | Wenn
in einem indirekten Halbkleiter ein Junge auf ein Mädchen
trifft... sorry: ein Elektron auf ein Loch – passiert gar nichts! Bei einer Rekombination
würde der Impulserhaltungssatz verletzt werden, und das geht nicht, also passiert nichts.
Die beiden brauchen einen Vermittler, einen dritten Partner, der auch Impuls aufnehmen kann.
Das sind Defekte mit Zuständen im Bandgap. Die Rekombination findet dann schematisch
so wie eingezeichnet statt. |
|  | Damit ist die Rekombination schwierig. Die Teilchen müssen
lange wandern, bis sie am selben Ort ein Gegenteilchen
und den dritten Partner finden. Lebensdauer und Diffusionslänge
sind groß; Licht kommt keines raus. |
 | Wie groß oder klein genau sind denn
L und t? Das ist eine der "guten"
Fragen, die nicht so leicht zu beantworten sind. Wer sich traut, schaut via Link in eine Vorlesung für Fortgeschrittene,
der Rest (und die Mutigen) merkt sich nur einen einzigen
Zusammenhang: |
|  | Die
Lebensdauer in indirekten Halbleitern, inbesondere also
in Silizium, ist extrem sensitiv auf Kristallgitterdefekte,
insbesondere auf atomare Fehlstellen. Wir schauen uns
das an einem Beispiel an (die rote Kurve bezieht sich natürlich auf p-Si): |
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| Die Lebensdauer verringert sich linear mit
der Goldkonzentration. Selbst bei der kleinen Konzentration von 1014 cm –3
(» 2 ppb)
beträgt sie nur 1 µs. Bis zu einer Lebendauer von 1 ms wie oben angegeben
fehlen noch drei Größenordnungen – die Goldkonzentration müßte
also bei 2 ppt liegen,
um die Millisekunde zu erreichen. |
|  | So ist es auch! "Life time killer
" wie Gold (und viele andere metallische Fremdatome, am schlimmsten Fe, Ni,
Cu, Ti) sind allesamt "tiefe Störstellen
" mit Energieniveaus für Elektronen, die tief in der Bandlücke liegen. Der
Halbleitertechnologe fürchtet sie wie der Teufel das Weihwasser. |
|  | An dieser Stelle
liegt eine der Wurzeln der extremen Reinheits- und Perfektionsanforderungen der Si-Technologie
. Kristalle verschmutzen
gern (bei höherer Temperatur). Der Kampf für Reinheit ist deshalb immer ein
Kampf gegen die Entropie
– und das kostet Energie (und vor allem viel Geld). |
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Hier steckt auch das Grundproblem der Si-Solarik: Gute
Solarzellen kann man nur aus Si mit möglichst großer Diffusionslänge
und damit Lebensdauer machen. Und diese Sorte Si kann
einfach nicht beliebig billig sein! |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)