Hintergrundinformationen zum Hyperskript "Einführung in die Materialwissenschaft I"

Motivation und Historie

Die Vorlesungsreihe "Einführung in die Materialwissenschaft I + II läuft seit dem Start der Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität im Wintersemester 91/92 im Rahmen des gemeinsamen Grundstudiums aller Ingenieure. Der Anspruch, für künftige Materialwissenschaftler, Elektrotechniker und Informatiker eine Vorlesung zu konzipieren, die für alle Ingenieure interessant ist, tief in die Grundlagen einführt (bis zum quantitativ dargestellten p-n-Übergang) und trotzdem im Grundstudium gemeistert werden kann, konnte im Rahmen herkömmlicher Vorlesungsmodelle und mit existierenden Textbüchern nicht optimal erfüllt werden.
Ein eigenes (konventionelles) Skript wurde zwar schnell erstellt, zeigte aber auch, wie schwer es ist, neue Wege zu gehen. Neuartige Zugänge zu wichtigen Grundlagen, z.B. der Bändertheorie, scheitern an mathematischen Problemen; die das dreidimensionals Vorstellungsvermögen stark strapazierende Thematik von Defekten in Kristallen läßt sich auf Papier oder an der Tafel nur schwer vermitteln.
Im Rahmen einer Spezialvorlesung zum Thema "Defekte in Kristallen" entstand der Gedanke, das dortige im Entstehen begriffene Skript als HTML-Dokument, und damit vollständig netzfähig zu gestalten. Das Projekt wurde 1996 begonnen; im Sommersemester 97 wurde das fertige "Hyperskript" erstmalig in einer Lehrveranstaltung eingesetzt; es kann (inzwischen in Englisch), in fast fertiger Form, im Internet unter dem Schlagwort "Defects" eingesehen werden.
Die zu Beginn des Projekts vorhandene Erwartungshaltung, daß die Erstellung eines Hyperskripts sehr zeitaufwendig und damit sehr teuer sein würde, hat sich zunächst bewahrheitet, wurde aber mit wachsendem Projektfortschritt stark relativiert. Aus heutiger Sicht kann gesagt werden, daß der Aufwand erstaunlich klein gehalten werden kann - aber erst nachdem alle Beteiligten, inbesondere der Primärauthor (i.d.R also der schon etwas ältere und nicht ganz computerfeste Professor), ihr Lehrgeld gezahlt, und einige nicht ganz kleine (Zeit)opfergaben auf dem Altar von Bill Gates und der html-Götter dargebracht haben.
Will sagen: Es ist unbedingt erforderlich, daß alle Texte, Graphiken usw. unmittelbar in html und richtig formatiert erstellt werden. Dazu muß man lernen wie das geht, und insbesondere was nicht, bzw. nur mit Aufwand geht - z.B. Formeln. Weiterhin ist eine klare Systematik der möglichen Links und der damit verbundenen Hinter- und Vordergrundmaterialien nötig. Auch sollte "man" in der Lage sein, Graphiken zu erstellen, Bilder einzuscannen, Java Applets zu programmieren und einzubinden, und, und, und... . Man tut gut daran, vor Beginn der Arbeiten eine möglichst durchdachte Struktur-oder Inhaltsmatrix aufzustellen, und eindeutige Regeln zur Dateistruktur, der Formatierung der Dokumente, der Einbindung von Bildern, Graphiken, Applets etc. festzulegen (und sich daran zu halten)!
Dies hört sich jedoch schlimmer als es ist. Auch beim normalen Verfassen von Texten mit dem PC (und das muß heute jeder können), braucht man einen großen Teil der genannten Fähigkeiten. Außerdem ist in der Regel an jedem Lehrstuhl oder Institut genügend know-how verstreut vorhanden; bei etwas Motivation, Lernbereitschaft und gutem Willen läßt sich dies durchaus ohne allzugroße Härten auf das Ziel "Hyperskript" fokussieren (wobei zugegeben werden soll, daß es einfacher ist, Fokussierer zu sein als Fokussierter).
In der n Arbeitsgruppe, die - in wechselnder Besetzung - auch dieses Hyperskript erstellte, wurde im Sommer 97 der Grundstein zu diesem Hyperskript gelegt. Die Vorlaufarbeiten in der oben beschrieben Art dauerten etwa 4 Wochen und wurden neben der eigentliche Arbeit erledigt.

Erfahrungen mit "Hyperskripten"

Im folgenden einige Erfahrungen beim Erstellen des Hyperskripts und bei der erstmaligen Anwendung in einer Vorlesung in Stichworten; neuere Erfahrunge finden sich in dem Artikel "Multimedia in der Paxis"
"Source": Die Konvertierung eines mit word oder mit einem anderen Textverarbeitungsprogramm geschrieben Manuskripts in HTML ist sehr aufwendig. Neuere Programme (z.B. Windows 97), die automatische Konvertierungsfunktionen enthalten, generieren sehr komplizierte HTML Seiten, die nur mit Mühe und erheblichem Wissen nachbearbeitet weren können). Unserer Lösung 1997: Ein eigener Makro für Word (geschrieben von W. Lippik), der schon im Word Format zur "Disziplin" beim Schreiben zwingt und der einen einfachen html Code generiert. Ein, zwei Jahre später, wird natürlich ein entsprechende Programm benutzt (HoTMeTal); der Umgang damit wird sogar als Lehrveranstaltung angeboten.
Formel, Bilder, Graphiken:Wurden alle mehr oder wenige mühsam als gif oder jpg Dateien erzeugt und eingebunden. Läßt sich in Maßen rationalisieren, z.B. durch Erzeugung im einem einfachen Graphikprogramm (selbst word geht) und Konvertierung in ein gif Format z:B. über "paintshop pro".
Animationen, Videos: Herstellung ist aufwendig; Videos brauchen (noch) viel Speicherplatz. Der didaktische Wert ist - gemessen am Aufwand - eher gering.
Simulationen: Darunter verstehen wir die "Belebung" mathematischer Formeln, entweder durch Darstellung von Funktionen oder durch "echte" Simulationen von Vorgängen auf der Basis der Lösung von Gleichungen und Gleichungssystemen. Erfordert mathematische Kenntnisse und Programmierkenntnisse in Java. Wurde bei VIN erstmals erarbeitet (J. Carstensen) und soll hier exzessiv verwendet werden.
Übungen: Der erste bei VIN gemachte Ansatz, Aufgaben mit eingebauter Hilfestellung zu erarbeiten, ist viel zu aufwendig. VIN enthält deshalb noch wenig Übungsaufgaben. In MatwissI Hyperskript wird auf Übungsaufgaben jedoch viel Wert gelegt. Aufgaben sind in zwei Grobkategorien angelegt: Verständnis- und Motivationsfragen und echte Übungen. Auf in die Aufgabenstellung eingebaute Hilfsmittel wurde aber weitgehend verzichtet.
""Basics" und "Advanced": Die Möglichkeit, Basisinformationen und weiterführende Informationen in praktisch unbegrenzter Zahl einzubinden, wurde kräftig genutzt. Allerdings zeigte sich die Notwendigkeit einer sinnvollen Begrenzung. Bei VIN sind die Basisinformationsseiten (aus Zeitgründen) noch sehr kurz gehalten; bei mehr Zeiteinsatz könnte man hier aber komplette Vorläufer-Vorlesungen unterbringen.
Praktischer Einsatz in einer Vorlesung: Hier ist alles noch im Werden. Es ist sicher nicht sinnvoll, statt Tafelanschrieb oder Folien nun die PC Bildschirme an dieWand zu werfen; wie man aber sinnvoll mit einem Hyperskript umgeht bleibt zunächst noch offen. Eine sich abzeichende harte Bedingung ist aber, daß sich das typische Lernverhalten deutscher Studierender an das Medium anpassen muß. Der deutsche Studierende (im Gegensatz zum amerikanischen) geht zwar in Vorlesungen und Übungen und macht soweit mit, daß er die notwendigen vorlesungsbegleitenden Leistungsnachweise (Scheine) bekommt, richtig lernen tut er (oder sie) aber nur auf die Prüfung. In Amerika wird im Gegensatz dazu schon immer (auch in der Schule) durchgehend aus Büchern gelernt. Die deutsche Tradition ist nicht notwendigerweise schlechter (schließlich sind unserer Ingenieure und Naturwissenschaftelr den amerikanischen durchaus ebenbürtig), wid aber doch dem neuen Medium, das ja eigenständiges Lernen fordert, weniger gerecht.

Allgemeiner Ansatz beim Matwiss I Hyperskript

Im vorliegenden Hyperskript wurden zwar die Erfahrungen mit VIN berücksichtigt, es wurde aber ein weitaus weiträumiger Ansatz gewählt. Wesentlicher Punkte bei der Anlage des Hyperskripts waren
Lockerer Sprachstil. Weg vom trockenen und linearen Diktus des klassischen Textbuches, das den Author als Mensch verleugnet und dem (falschen) Ideal der absoluten Objektivität anhängt, und hin zu einem persönlichen und in Maßen (hoffentlich) unterhaltsamen Stil, der durchblicken läßt, daß Wissenschaft von gelegentlich fehlbaren Menschen gemacht wird, mit der Randbedingung, daß die Klarheit und Richtigkeit des Dargestellten nicht darunter leiden darf.
Klare Struktur; insbesondere klare Abgrenzung dessen was gelernt (und in der Prüfung beherrscht werden muß) zu den "Hilfsmaterialien"
Starke Betonung der notwendigen eigenen Arbeit des Studierenden durch viele Übungsfragen und -Aufgaben auf verschiedenen Schwierigkeitsebenen.
Dem Medium angepaßte Hilfsmittel (Merkpunkte, Notizblock, Taschenrechner, Stichwortverzeichnis, Formelsammlung...), die über die "Frameleiste" immer verfügbar sind.
Interaktivität mit Prof. und Assistenten durch eingebaute e-mail Formate
Starke Betonung der Mathematik durch Java Applets. Übung des Umgangs mit Formeln auf der einfachsten Ebene bis hin zu Beziehungen, die nur mit Computermathematik darstellbar sind .
Einbindung der Lernmaterie in den größeren Zusammenhang der Materialwissenschaften, auch und insbesondere im Kontext der Wissenschaftshistorie und der Wissenschaftsausübung. Seiten mit unterhaltendem und anekdotischem Charakter wurden in diesem Zusammenhang bewußt eingeführt.
Generelle Offenheit des Skripts für Erweiterungen und Verzahnung mit weiteren Skripten

HTML-Version von: Helmut Foell, erstellt am 02.10.97 10:29

Wenige Änderungen 10_01