Die altbekannte Glühlampe, unter deren Alterung wir alle leiden, ist ein gutes Beipiel für die Bedeutung des Alterns für die Materialwissenschaft. | ||
Nachdem Werner von Siemens erstmals dafür gesorgt hatte, daß ausreichende Mengen an Elektrizität zur Verfügung standen, war die Basisinnovation bei den Glühlampen nicht die Idee, die notwendige Temperatur für die Weißglut des Strahler durch elektrische Heizung zu erzeugen, sondern das dafür geeignete Material zu finden. Das Material mußte zum einen den Strom leiten, zum anderen bei den hohen Temperaturen lange leben - unser typisches Metall macht das nicht ohne weiteres. | ||
Der Hauptgrund dafür ist, daß die Metalle mit hohem Schmelzpunkt bei Weißglut chemisch sehr reaktiv sind und damit ziemlich schnell zu einem Metalloxid werden. | ||
Erst T.A. Edison, der hunderte von Materialien ausprobierte, fand die Lösung: Ein Kohlefaden im Vakuum einer "Glühbirne". | ||
Heute nehmen wir in der Regel Wolframwendeln im N2 - Schutzgas einer Birne; die aber nicht allzu lange halten. | ||
Die Alterung wird durch die Inhomogenität der Temperatur an der W - Oberfläche verursacht: An Stellen, an denen der Draht etwas dünner ist, ist der Widerstand etwas größer, wegen elektr. Leistung = R · I2 wird das Metall dort etwas heißer - es reichen minimalste Unterschiede. | ||
An der etwa heißeren Stelle dampft W etwas schneller ab - die Wahrscheinlichkeit, daß ein Oberflächenatom genügend Energie erhält, um den Bindungskräften entfliehen zu können wird mit dem Boltzmannfaktor größer. Dadurch wird die dünne Stelle noch dünner, noch heißer, usw. | ||
Ein gegenläufiger Effekt ist die Oberflächendiffusion. Wolframatome, die durch Diffusion vor allem an der Oberfläche beweglich sind, laufen bevorzugt zur heißen Stelle und machen sie wieder dicker. | ||
Der schädliche Prozeß gewinnt aber - nach Meinung der Verbraucher viel zu schnell. | ||
Also findet die Materialwissenschaft gezielt ein Gegenmittel: Die Halogenlampe. | ||
Der bevorzugte Verdampfungsprozeß des W an dünnen Stellen läßt sich nicht direkt stoppen, also muß man die dünne Stellen wieder dick machen. Dies gelingt durch Zugabe eines Halogens, z.B. F, in das Schutzgas. | ||
Wenn alles richtig gemacht ist, reagiert das verdampfte W mit dem F zu WF6. Diese Molekül hat die schöne Eigenschaft, daß es sich an heißen Oberflächen wieder zersetzt; je heißer, desto besser. | ||
Damit werden die dünnen Stellen wieder bevorzugt mit W aufgefüttert - unsere Halogenbirne lebt erheblich länger als die normale Birne | ||
So könnte es sein. Die Lampenindustrie aber denkt anders. Sie richtet sich nach dem Verbraucher, und dem sind hellerer Birnen in vielen Fällen lieber als langlebige. | ||
Also wird bei Halogenlampen die Betriebstemperatur gerade um den Betrag höher gesetzt, der die Lebensdauer wieder in den Bereich des Normalen bringt. Die Lampe ist heller, das Licht ist weißer, sie lebt ein bißchen länger, der Umsatz bricht nicht ein .... (fast) alle sind zufrieden. | ||
10.1.3 Alterungserscheinungen und Mechanismen
© H. Föll (MaWi 1 Skript)