Defekte in Kristallen© Helmut FöllVorwort |
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Defekte in Kristallen - welche Relevanz für die moderne Materialwissenschaft im besonderen und das tägliche Leben im allgemeinen, mag das haben? Nicht nur beim Kauf eines "lupenreinen Diamants", wo letztlich die Defekte im Kohlenstoffkristall den Preis bestimmen, kommt der Mensch mit Defekten in Kristallen in Berührung, sondern, um nur drei Beispiele zu nennen, | |
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jedesmal, wenn er mit einem beliebigen Metall zu tun hat | |
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jedesmal, wenn er mit einem beliebigen elektronischen Bauteil zu tun hat | |
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jedesmal, wenn er sich über die hohen Kosten der Solarenergie oder den hohen Treibstoffverbrauch seines Autos beklagt. | |
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Jetzt besteht Erklärungsbedarf. Zunächst muß man wissen, daß alle Metalle in ihrer festen Form (wie auch die meisten anderen nicht-biologischen Stoffe) ausnahmslos Kristalle sind - auch wenn sie nicht wie ein "Kristall" aussehen. Die äußere Form eines Körpers sagt aber nicht unbedingt etwas über seinen atomaren Aufbau aus. Was man im täglichen Sprachgebrauch als "Kristall" bezeichnet, etwa einen Bergkristall oder einen Edelstein mit vielen Facetten, ist schon eine spezielle Abart der Kristalle, nämlich ein sogenannter "Einkristall". Bild 1 zeigt schematisch was das bedeutet: Ein perfekter Einkristall (selten und teuer) im Gegensatz zum häufigen, aber unauffälligeren Viel- oder Polykristall. | |
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Bild Ia: Modell eines (perfekten) Einkristalls | Bild Ib: Modell eines Polykristalls (mit vielen Defekten) |
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In dieser simplen Darstellung wird nicht nur die Definition von "Kristall" ziemlich klar (obwohl die mathematische Durchdringung des Kristallkonzepts noch einigen Aufwand braucht), sondern wir kommen schon mit Defekten im Kristall in Berührung. Die Grenzen zwischen den einzelnen kristallinen Bereichen (den "Körnern" in Bild 1b), sind eindeutig Defekte im Kristall (sie heißen logischerweise "Korngrenzen"), denn hier stimmt der regelmäßige Aufbau nicht mehr - die Atome sind nicht mehr da, wo man sie bei einem perfekten Kristall erwartet hätte. Außerdem sind weitere Defekte eingezeichnet, z.B. fehlende oder "falsche" Atome. | |
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Metalle, wie praktisch alle kristallinen Stoffe die "natürlich" vorkommen (z.B. fast alle Mineralien ("Steine"), Erze oder Kochsalz), sind Polykristalle. | |
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Bleiben wir bei den technischen Metallen, stellen wir fest, daß ein großer Teil ihrer für den Menschen interessanten Eigenschaften, darunter fast alle mechanischen (Härte, Verformbarkeit ("Duktilität"), Sprödigkeit,...) von Defekten im Kristall bestimmt werden. Der perfekte Metall Einkristall ist technisch vollständig uninteressant - die komplette metallverarbeitende Industrie lebt letztendlich von der gezielten Erzeugung und Manipulation von Defekten in den Metallkristallen. | |
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Wer jemals einem Schmied zugeschaut hat (oder
eine halbwegs werkgetreue Aufführung von Wagners "Siegfried"
erlebt hat), konnte das beobachten: |
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Siegfried schmiedet sein Schwert: Zunächst
füllt er eine Schwertform mit dem geschmolzenen Metall ("Stahl"
bei Wagner; Bronze etwas früher; es ist aber für des folgende
gleichgültig). Nach dem Erstarren ist das Schwert eigentlich schon fertig,
vielleicht muß es noch etwas entgratet und geschärft werden. Ein
Chemiker, der jetzt eine Probe nähme, fände - bei Wagners Siegfried -
viel Eisen (Fe), etwas Kohlenstoff (C), und noch eine Fülle von diesem und
jenem in Spurenanteilen unter 1%. |
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Siegfried aber ist nicht fertig, er beginnt nun
mit dem "Schmieden". Er klopft mit dem Hammer auf der Klinge herum, stößt es zischend ins kalte Wasser, macht es in der Esse unter heftigem Blasebalggefauch wieder heiß, und treibt allerlei faszinierende und magische Dinge, bevor er mit dem Schwert zufrieden ist. Und jeder Dorfschmied hat, als es ihn noch gab, das genauso gemacht. |
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Den Chemiker wundert´s: Analysiert er nach dem Schmieden eine Probe des Schwertes, findet er nämlich keinen Unterschied zu einer Probe die er gleich nach dem Gießen entnommen hat. Siegfried ist aber kein Chemiker, sondern Materialwissenschaftler und weiß, daß das frisch gegossene Schwert sehr spröde ist, und beim Kampf gegen Drachen und andere Unholde sofort brechen würde. Nach dem Schmieden aber - immer vorausgesetzt man macht es richtig - ist es fest und doch elastisch, es bricht nicht, hält die Schärfe, und kann mit Erfolg zum Umbringen von Zeitgenossen eingesetzt werden. | |
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Heute machen wir dazu keine Schwerter mehr, sondern Autos. Am Prinzip hat sich aber nichts geändert. Ein "Schmiedeprozeß" ist nach wie vor erforderlich, nämlich um diejenigen Defekte im Kristall des Materials zu erzeugen und zu verteilen, die für die gewünschte Eigenschaft gebraucht werden. |
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Andersartig und komplexer ist die
Sache bei der Elektronik. Im Inneren der integrierten Schaltung, ohne die die
heutige Elektronik nicht denkbar ist, sitzt ein Stückchen
Siliziumkristall. Dieser Kristall ist, im Gegensatz zu den Metallen, extrem
perfekt. Zu seiner Herstellung war ein hoher Aufwand und tiefes
materialwissenschaftliches Know-how erforderlich - deshalb ist er ziemlich
teuer. |
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Wäre er nicht sehr perfekt, würden die Chips nicht funktionieren - man erahnt das komplexe und aktive Forschungsgebiet der Interaktion von Defekten im Si-Kristall und den elektronischen Eigenschaften von Transistoren, die man aus Silizium macht. | |
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Wäre der Kristall aber immer 100% perfekt, könnte man keine Transistoren machen - die spezifischen, für die Mikroelektronik so nützlichen Eigenschaften des Siliziums beruhen nämlich vollständig auf der Anwesenheit einer bestimmten Defektesorte und auf der Abwesenheit anderer. Auch hier also ist die Herstellung eines Produkts letztlich ein Prozeß der Manipulation von Defekten im Kristall. | |
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Zwischen Chip und Schwert besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. Zwar haben die Schmiede über Jahrtausende hinweg Materialwissenschaft betrieben, aber sie wußten das nicht. Bis ca. 1930 (mit einer sehr hoch entwickelten Metallindustrie) hatte man keine Ahnung, was eigentlich beim Schmieden passiert, oder etwas wissenschaftlicher ausgedrückt, wie sich Metalle (im atomaren Maßstab) verformen wenn man mit dem Hammer draufhaut. Metallurgie und Schmiedekunst waren eine Erfahrungswissenschaft; die besten Materialien, Methoden und Prozesse wurden im Laufe der Jahrtausende durch Versuch und Irrtum herausgefunden. Die Theorie kam erst lange nach dem Produkt. | |
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Vermutlich würden aber selbst Jahrmillionen nicht reichen, um über Versuch und Irrtum und ohne Kenntnisse der Physik und Materialwissenschaft einen Transistor herzustellen. Mit der "Festkörperelektronik", die alles umfaßt was man aus Silizium (Si), Germanium (Ge) Gallium-Arsenid (GaAs) und anderen "Halbleitern" so machen kann, beginnt das aktive Zeitalter der Materialwissenschaft, wo vor dem Machen das Verstehen kommt, und Produkte erst nach der Theorie entstehen. | |
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Bur coming back to the questions
asked above: How are the high costs of solar energy or the
low mileage of your car related to defects? Easy: |
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Was haben nun die hohen Kosten der Solarenergie oder der zu hohe Treibstoffverbrauch des Autos mit Defekten in Kristallen zu tun? Ganz einfach: Billiges Si enthält viele Kristalldefekte; macht man Solarzellen damit, sind die nicht besonders gut. Si mit wenig Defekten ist zwar für exzellente Solarzellen gut, aber kostet viel. Wo liegt das Optimum? Was kann man tun, um mit den Defekten leben zu können? Diese und viele ähnliche Fragen sind aktives Forschungsgebiet in vielen Labors. | |
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Was braucht man für das "3 Liter" Auto? Hilfreich wäre weniger Gewicht, also z.B. eine (billige) Aluminium (Al), oder besser noch, Magnesium (Mg) Karosserie. Leider scheitert dies (noch) an nicht beherrschten Eigenschaften (bei Mg z.B. Korrossionsanfälligkeit), die von Defekten in diesen Materialien stark beeinflußt werden. Man könnte natürlich auch einen Motor bauen, der bei gleicher Leistung weniger Treibstoff konsumiert, das geht aber nur durch höherer Temperaturen im Zylinder. Leider sind die gebräuchlichen Metalle temperaturmäßig am Ende, denn Defekte sorgen bei zu hohen Temperaturen dafür, daß der Motor das nicht lange mitmacht. Ach bei der Entwicklung von hochtemperaturfesten Legierungen (die auch noch bezahlbar sein müssen), kreist man im Kern um Defekte in Kristallen. | |
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Die Liste ist fortsetzbar, aber dieser kleine Exkurs sollte genügen, um die prinzipielle Bedeutung von Defekten in Kristallen für unserer Zivilisation aufzuzeigen. Zwar ist es richtig, daß in der Praxis die fundamentalen Eigenschaften der Defekte oft keine Rolle spielen - der Praktiker kann meist problemlos mit der phänomenologisch-beschreibenden Ebene zurechtkommen. Die atomaren Grundprozesse der Diffusion z.B. (d.h. der Bewegung von Atomen im Kristall), müssen nicht verstanden werden, um mit den daraus abgeleiteten Diffusionsgleichungen arbeiten zu können - die gesamte Defektthematik steckt dann in der empirisch ermittelten Diffusionskonstanten. | |
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Gerade die kurze Geschichte der Silizium-Technologie (d.h. der kompletten Mikroelektronik) zeigt aber, daß ohne ein tiefes Verständnis der zugrundeliegenden Defektthematik zumindest bei den Experten, das Ende der Fahnenstange immer wieder schnell erreicht ist. Es liegt eine tiefe Ironie in der (nur wenigen Eingeweihten bekannten) Tatsache, daß ausgerechnet in dem für unser Zeitalter so wichtigen Material Silizium, die dort alles beherrschenden Defekte im Kristall völlig aus dem üblichen Rahmen fallen und bis heute nicht besonders gut verstanden sind. | |
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Es folgt, daß der Materialwissenschaftler mit Universitätsabschluß ein Grundverständnis von Defekten in Kristallen haben muß. Der Kieler Materialwissenschaftler sollte darüber hinaus schwerpunktsmäßig eher die Defektthematik bei Funktionswerkstoffen ("Defekte und elektronische Eigenschaften") überblicken, während die Thematik "Defekte und mechanische Eigenschaften" etwas zurückgenommen werden kann. Die Vorlesung "Defekte in Kristallen" wurde konzipiert, um einen allgemeinen Überblick in einem Semester zu vermitteln; sie wurde im Sommersemester 1996 erstmals gehalten. Zielgruppe der Vorlesung waren Materialwissenschaftler im Hauptstudium, die diese Vorlesung im Rahmen der Wahlfächer hören konnten, aber nicht mußten. Darüber hinaus richtete sich die Vorlesung auch an Interessenten aus der Physik, Chemie und Mineralogie. Das Thema "Defekte in Kristallen" in seiner vollen Allgemeinheit würde einen großen Teil der gesamten Materialwissenschaft und der Festkörperphysik abdecken. In der Tat sind Defekte in vielen Lehrveranstaltungen der Materialwissenschaft ein immer wiederkehrendes Thema, auch wenn dies aus den Titeln nicht unmittelbar ersichtlich wird. Diese Vorlesung beschränkt sich notwendigerweise auf einen Ausschnitt des Gesamtthemas, nämlich auf die allgemeinsten Grundlagen zu: |
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Defektstrukturen und -Geometrien, | |
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fundamentale Eigenschaften von einzelnen Defekten und Kristallen mit Defekten, | |
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Mechanismen der Defekterzeugung (und -Vernichtung), | |
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experimentelle Zugänge zu Defekten. | |
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In dealing with defects in crystals, we always
must visualize some disorder in space, which for most people is not an easy
thing to do. Whereas some scientists are perfectly happy with abstract
mathematical description of objects including defects, most of us must have
some spatial image of what is discussed to be able to grasp what is going on.
Visualization therefore is a must and this is where multimedia techniques may
come into their own. Look at the schematic drawing of a dislocation below - can
you see it? You sure can when you are able to rotate the image so you can view
the dislocation from various angles, and you sure learn more by doing this
compared to looking at a drawing that shows the best perspective that somebody
else picked for you. Üblicherweise werden Defekte in drei oder vier Hauptgruppen eingeteilt (Null-, ein- zwei- und dreidimensionale Defekte) und in getrennten Veranstaltungen behandelt. In dieser Vorlesung wird der Versuch unternommen, in einer vergleichsweise kurzen Veranstaltung, die wesentlichen Eigenschaften aller Defektklassen zu vermitteln. Dies erzwingt Beschränkung auf das Wichtigste und besonderen Aufwand bei der in dieser Thematik besonders wichtigen Visualisierung. Das räumliche Vorstellungsvermögen von Ungeübten kommt schon bei einfachen Themen schnell an seine Grenzen; die Vermittlung komplexer perspektivischer Einblicke in gestörte Kristalle durch Malen an die Tafel aber auch. Bild 2 illustriert was gemeint ist. |
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![]() Bild 2 Perspektivische Darstellung der einfachsten Versetzung in einem einfachen Kristallgitter (Versetzungslinie durch andersfarbige Kugeln dargestellt) |
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In view of this, the course "Defects in
Crystals" was used as a vehicle to try out for the first time the
possibilities of the new media in teaching a non trivial subject. A "Hyperscript" was collated on a "lecture
note base", i.e. there are no long verbal descriptions. Damit bietet sich eine Multimedia Aufbereitung dieser Vorlesung förmlich an. Dank der rapiden Fortschritte bei der Beherrschung der Defekte im Silizium, sind leistungsstarke PCs heute überall verfügbar, die multimediale Darstellung auch komplexer Inhalte scheitert nicht mehr an Defekten im Silizium (oder im Geldbeutel). |
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Im folgenden wird eine multimediale Version der
Vorlesung geboten. The hyperscript consists of 5 major parallel "strings" which are: |
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Basisbegriffe Hier kann Stoff, der eigentlich vorausgesetzt wird, nochmals auf- oder nachgearbeitet werden, oder auch nur nachgeschaut werden um sicher zu gehen. |
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Den Kern, also eine Art "Rückgrat", bildet das Skript, das (z.Z. noch) stichwortartig und mit vielen Abbildungen durch die zu lernende Thematik führt. Aus diesem Rückgrat, das für sich einen (linearen) "Strang" darstellt, und in dem jedes Unterkapitel einen "Modul" darstellt, kommt man über Hyperlinks zu den Modulen von 4 anderen Strängen, die aber alle zu einem der folgenden Themenkreise gehören. | |
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Backbone 2 Additional "chapters of the book" that are not in the top priority of the course, but may be used on occasions. |
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Illustration Umfangreiches Bildmaterial (z.B. Messungen, Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop) illustriert angesprochene Effekte und stellt die Verbindung zur "realen" Meßpraxis her. Hier verbirgt sich ein Quellenarchiv mit Orginalaufnamen, die den Umfang eines einfachen "Skriptes" sprengen würde. Dieser Strang enthält auch Animationen und kleine Videos, erste mathematischen Simulationen sind ebenfalls eingebunden. |
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Übungen Am Ende jedes Hauptabschnittes können (in noch kleinem Umfang) Übungen und Verständnisfragen aufgrufen werden, an denen jede(r) sich selber prüfen kann. Bei Schwierigkeiten führen Querverweise an die entsprechende Stelle in der Vorlesung, die nicht vollständig verstanden worden ist. |
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Weiterführung Aktuelle Wissenschaft spiegelt sich in der Regel in Fachliteratur wieder, bevor sie Eingang in Lehrbücher findet. Diese Artikel sind in den verschiedensten Fachzeitschriften verstreut und of nur umständlich einsehbar. Mit der elektronischen Form einer Vorlesung bietet es sich an, den Studierenden den passenden Fachartikeln zu einem angesprochenen Thema durch einen einfachen "Mausklick" zur Verfügung zu stellen (sofern nicht Copyrights tangiert werden). Für ein allgemeines Verständnis der Vorlesung sind diese Artikel zwar nicht notwendig, liefern aber wertvolle Hintergrundinformationen bei Vertiefung in ein Thema. Hier werden auch die studentischen Ausarbeitungen im Rahmen der (seminarartigen) Übungen zur Vorlesung untergebracht. |
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Neben den Strängen, die im lokalen Server vorhanden sind, gibt es auch Hyperlinks über die man die Technische Fakultät verläßt und im Server einer anderen Institution landet. Diese Hyperlinks sind in Kontrast zu den blauen Hyperlinks, die im System bleiben, durch grüne Färbung gekennzeichnet. Selbstverständlich können die Studierenden bei diesen Adressen interessante Information zur Thematik finden; sie müssen aber selbst und auf eigenes Risiko suchen. | |
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I sincerely believe that hyperscripts will replace classical text books in years to come. But I also believe that nobody (including myself) knows at present how to collate the optimal hyperscript. Only time will tell. Being willing to learn, I do invite comments and suggestion for improvements. Please get in touch via e-mail: | |
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